Freitag, 14. September 2007

Feuer auf Sabine Bätzing

Beitrag von Hans Cousto
Was ist eigentlich ein Suchtmittel, Frau Bätzing?

Die vier Säulen der Drogenpolitik
Die vier Säulen der Drogenpolitik in Deutschland heißen Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression. So steht es auf Seite 6 im Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung vom Mai 2007. Den vier Säulen werden im Bericht stark unterschiedliche Gewichtungen gegeben. Der Begriff Repression wird im ganzen Bericht dreimal erwähnt, der Begriff Prävention (als Wort und als Wortteil) 166mal, Therapie 70mal und Schadensminderung nur einmal – im oben zitierten Satz. Über Repression respektive die Kosten und Evidenz der Repression spricht die Bundesregierung bzw. die Drogenbeauftragte Sabine Bätzing nicht gerne, da die Kosten sehr hoch sind und die Evidenz nicht erwiesen ist. Über Prävention und Therapie wird hingegen gerne viel geredet und geschrieben, da hier eine starke Lobby von Präventionisten und Therapeuten bedient werden will. Schadensminderung scheint jedoch das ungeliebte Stiefkind der Drogenpolitik zu sein und kaum einer Erwähnung wert!

Sucht – Lieblingsbegriff der Drogenbeauftragten
Die Weltgesundheitsorganisation hat sich 1964 dazu entschlossen, auf den Begriff der Sucht gänzlich zu verzichten und statt dessen von Abhängigkeit zu sprechen und zwar in ihrer Zweigliedrigkeit als psychische oder physische Abhängigkeit. Das heißt, dass seit mehr als 40 Jahren der Begriff aus der offiziellen Terminologie der Weltgesundheitsorganisation eleminiert wurde. Dennoch ist es einer der am häufigsten vorkommenden Begriffe (als Wort und Wortteil) im Drogen- und Suchtbericht. Genau 607mal taucht dieser Begriff auf, Abhängigkeit jedoch nur 79mal. Die Drogenbeauftragte Bätzing braucht somit heute noch vorwiegend ein Sprachjargon, der bereits lange vor ihrer Geburt (1975) offiziell abgeschafft wurde. Auffällig ist dabei die häufige Verwendung des Begriffes Suchtmittel – ein Begriff, der keinen Sinn macht.

Der Begriff Suchtmittel
Eine Substanz ist etwas Stoffliches, woraus etwas besteht, das heißt, dass man unter Substanz den chemischen Grundbestand versteht, also die naturwissenschaftlich begründete, zweckfreie Aussage über die chemische Zusammensetzung eines Stoffes. Ein Mittel ist etwas, was die Erreichung eines Zieles ermöglicht; das bedeutet, dass ein Mittel etwas ist, was zur Erreichung eines Zweckes dient.
Substanz ist die zweckfreie Aussage über etwas (z.B. einen Stoff), ein Mittel ist die soziale oder die individuelle Interpretation des Zwecks der Substanz beziehungsweise des Zwecks der Einnahme der Substanz. Schreibt man also einer Substanz einen bestimmten Zweck zu, so wird die Substanz zum Mittel. Die Substanz respektive der Stoff wird durch seine konkrete Zweckbestimmung zum Mittel.
Suchtmittel sind nach den gegebenen Begriffsdefinitionen Mittel, die dazu bestimmt sind und mit der Absicht eingenommen werden, eine Sucht auszulösen oder zu erzeugen. Da jedoch kaum jemand eine Substanz einnimmt, um süchtig zu werden, ist die Sucht für den Konsumenten nicht das Ziel oder der Zweck der Einnahme und deshalb ist der Begriff Suchtmittel (als Mittel zur Sucht) völlig fehl am Platz. Der Begriff Suchtmittel ergibt keinen Sinn und erfüllt alle Kriterien, um als „Unwort des Jahres“ gekürt zu werden.

Das Pendant zu Drogenabhängigkeit ist nicht Abstinenz, sondern Drogenautonomie!
Autonomie (Selbstbestimmung, Selbstverwaltung) ist das Gegenteil von Abhängigkeit. Will man Abhängigkeiten mindern oder bekämpfen, muss man Autonomie fördern. Dies gilt auch für den Bereich “Drogen”, das heißt, will man Drogenabhängigkeit bekämpfen respektive minimieren, dann muss man Drogenautonomie fordern respektive fördern.
Drogenautonomie erlangt man durch Drogenkompetenz und Drogenmündigkeit. Drogenmündigkeit ist ein Präventionskonzept im Bereich Drogen. Etabliert wurde der Begriff Drogenmündigkeit von Prof. Gundula Barsch, Mitglied der ehemaligen Drogen- und Suchtkommission im Bundesgesundheitsministerium. Sie definiert den Begriff folgendermassen: „Das Pendant zu Sucht und exzessivem Konsum ist nicht Abstinenz, sondern Drogenmündigkeit.“ Die vier Säulen eines mündigen, integrierten und autonom kontrollierten Umgangs mit Drogen sind: Risikomanagement, Kritikfähigkeit, Genussfähigkeit und Drogenwissen.
Der Begriff Drogenautonomie wurde von Torsten Schmidt in seiner Dissertation „Graue Gefahr oder Graues Glück – Der Graumarkt als Folge und Strategie der Drogenhilfe am Beispiel von Amsterdam und Bremen“ (Dissertation Dr.phil. Bremen, 2000) eingeführt. Der Begriff Drogenautonomie als Pendant respektive als Gegenbegriff zu Drogenabhängigkeit scheint mir sehr gut geeignet, um in der drogenpolitischen Diskussion respektive in der Diskussion betreff Schadensminderung und Gesundheit beim Drogengebrauch neue Akzente zu setzen. Jedenfalls ist der Begriff Drogenautonomie dazu weit besser geeignet als der populistische und in sich widersprüchliche Begriff Suchtmittel.

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