Freitag, 30. Mai 2008

Breitspiele

Endlich können die dicken Jacken und Pullover für eine Weile im Schrank bleiben, stattdessen verschwindet die winterliche Blässe und je nach Typ besteht die Gefahr den Körper mehr oder weniger zu bräunen manchmal aber auch zu verbrennen. Wer draußen spielen möchte, sollte auf genügend Sonnen- und Windschutz achten, sonst fliegt das Spielmaterial allzu schnell durch die Gegend. Aber bei Bedarf bieten die meisten Spieleverlage Ersatzteile an

In Ermangelung an guten kämpferischen Spielen im Jahrgang 2007/2008 kann ich auch in dieser Ausgabe nur ein Kriegsspiel besprechen: „Tide of Iron“. Außerdem verschlägt es den geneigten Spieler in die vorchristliche Ära: „Amyitis“ von Ystari spielt im Jahr 590 vor Christus.

Vielspieler, Kriegsspiel
Tide of Iron
Typisch Fantasy Flight Games (FFG), der Karton ist riesig, der Inhalt auch: viele verschiedene Plättchen, Kartendecks und Soldaten, Panzer und Armeefahrzeuge, ein Spielplan, der sein Aussehen je nach Aufbau verändert, eine Spielanleitung (bisher nur in Englisch), Armeereferenzblätter und ein Szenarienheft. Für Ende des Jahres – so steht es auf der Webseite vom Heidelberger Spieleverlag – ist die deutsche Ausgabe geplant. Bei einem 46-seitigen Regelwerk ist das auch notwendig, sonst bleiben allzu viele Spieler auf der Strecke. Gespielt wird zu zweit, dritt oder viert und es gibt nur zwei Seiten: Amerikaner oder Deutscher, mit einem Ziel: den anderen zu besiegen! Sechs Szenarien unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade und Dauer stehen zur Verfügung. Und bis die alle durchgespielt sind, vergeht viel Zeit. Und durchgespielt heißt noch lange nicht gewonnen. So steigt gerade für diejenigen, die die deutsche Seite spielen, der Wiederspielreiz auf alle Fälle an, denn nach einer verlorenen Schlacht heißt es: Das muss ich noch einmal probieren. Sofort werden weitere strategische Grundaufstellungen überlegt und neue taktische Finessen ausgebrütet, um den Amis doch noch ein Schnippchen zu schlagen. Wohlgemerkt, es ist nur ein Spiel und hat nichts aber auch rein gar nichts mit politischen Überzeugungen zu tun. Ich würde meine Kämpfe auch lieber in irgendwelchen Fantasy-Welten schlagen als auf Schlachtfeldern des zweiten Weltkriegs.

Jedes Szenario wird aus verschiedenen Spielfeldteilen zusammengesetzt. Unterteilt sind sie in Hex und verschieden Geländeformationen, die die Bewegung beeinträchtigen oder die Sichtlinie verbessern beziehungsweise verschlechtern. Außerdem werden Kontrollmarker platziert, die, eingenommen, „Command-Punkte“ bringen, die für Aktionskarten oder die Initiativreihenfolge ausgegeben werden können. Panzersperren, Stacheldraht oder Bunker verhindern auf beiden Seiten das schnelle Durchkommen, gebaut oder zerstört werden sie von Spezialeinheiten. Sind alle Gelände und sonstige Plättchen gelegt, folgt die Startaufstellung. Stehen alle Armeen, beginnt der Krieg.

Da in szenarienabhängigen Runden gespielt wird, dauert eine Partie mindestens drei Stunden eher länger. Während die Initiative zwischen den Spielern wechseln kann, bleibt die Rundenabfolge immer gleich:
In der „Action“-Phase bewegen die Spieler ihre Armeen, Panzer oder Fahrzeuge, feuern auf ihre Gegner, dabei können sie gemeinsam oder einzeln schießen oder im Anschluss an die Bewegung einen „Assault“ (Nahkampfattacke) ausführen. Je nach Position ist der Gegner mehr oder weniger gut verteidigt. Während bei Beschuss nur der Angegriffene Verluste hinnehmen muss, können bei einem „Assault“ beide Seiten verlieren. Nach ihren Aktionen werden die Soldaten als erschöpft markiert. Außerdem können die Spieler ihre Soldaten in die sogenannte „Op Fire“-Position bringen, das heißt, bewegt sich eine gegnerische Einheit in deren Sichtfeld, kann einmal darauf geschossen werden, danach ist auch die Armee in „Op Fire“ erschöpft. Außerdem gibt es etliche Karten, die ebenfalls in dieser Phase aktiviert werden können und je nach Typ, dem Spieler Vorteile oder dem Gegner Nachteile bringen und so Einfluss auf das aktuelle Spielgeschehen nehmen. Waren alle Soldaten einmal dran, folgt die „Command“-Phase.
In dieser Spielphase wird überprüft und markiert, wer welche Punkte kontrolliert. Außerdem werden entsprechend Sieg- und „Command“-Punkte verteilt. Diese können anschließend für Karten oder die Initiativreihenfolge ausgegeben werden. Wer mehr „Command“-Punkte auf der Initiativkarte liegen hat, wird neuer Startspieler. Die Runde endet mit der Status Phase: Jetzt werden alle Marker der letzten Runde entfernt oder umgedreht. Die Spieler erweitern ihr Kartenpool um mindestens eine Karte, tauschen gegebenenfalls Infanterietruppen im selben Hex und setzen so viele eigenen Truppen wie sie wollen in den „Op-Fire“ Modus. Eine neue Runde kann beginnen.

“Tide of Iron” ist ein reines Kriegsspiel mit unterschiedlichen Szenarien und Siegbedingungen. Dabei liegt die größere Herausforderung auf der Seite der Deutschen, die es entscheidend schwerer haben zu gewinnen. Alle Truppen haben eigene Profile, der Beschuss und die Kämpfe werden ausgewürfelt. Wechselnde Spielpläne fordern bei jedem Spiel neue Strategien und die verschiedenen Kartendecks sorgen für weitere Spannung, so dass „Tide of Iron“ für mich zu den Besten des Jahrgangs zählt.

Tide of Iron
Autor: John Goodenough, Christian T. Petersen, Corey Konieczka
Verlag: Fantasy Flight Games /
Heidelberger Spieleverlag
Spieler: 2–4
Alter: ab 12
Dauer: je nach Szenario
Preis: ca. 60 Euro

Vielspieler, Strategie
Amyitis
Die Spiele aus dem Hause Ystari versprechen kurzweilige Unterhaltung auf höherem Spielniveau. Dies gilt auch für Amyitis. Die zwei bis vier Spieler versuchen sich am Bau der hängenden Gärten. Und das ist gar nicht so einfach. Zum Einen müssen die Spieler erst einmal Vorbereitungen treffen, bevor sie überhaupt an den Bau denken können. Denn zuerst muss bewässert werden, was mit Prestigepunkten belohnt wird. Um anpflanzen zu können, müssen außerdem bestimmte Pflanzen geerntet werden, die wiederum in Mesopotamien gehandelt werden. Da bekanntermaßen nur Kamele den Weg durch die Wüste finden, müssen erst Händler angeheuert werden, die sich mit ihren Tieren auf den Weg machen. In den Städten Mesopotamiens können die Händler ihre Früchte gegen Pflanzen für die Hängenden Gärten tauschen oder sie erhöhen ihr Einkommen oder sie erweiteren ihre Karawane oder sie bauen ihren Palast weiter aus, was wiederum gut für das Prestige ist. Denn am Spielende gewinnt derjenige, der die meisten Prestigepunkte hat. Außerdem können die Spieler Priester in Tempel setzen, was von Vorteil ist, solange man die meisten Priester in einem Tempel hat.

Wer dran ist, hat drei Möglichkeiten, entweder er rekrutiert Arbeitskräfte oder er bewegt seine Karawane oder er passt, was ihm zusätzliches Geld bringt, solange die Mitspieler noch weitere Aktionen machen. Haben alle gepasst, kommt die Tempelphase, in der die Zusammensetzung der Priester in den drei Tempeln noch einmal gehörig durcheinandergewirbelt werden kann. Eine neue Runde beginnt.

Ziel all der Aktionen ist der Bau der Hängenden Gärten, für jeden Abschnitt erhalten die Spieler Prestige, je weiter oben die Gärten sind, umso mehr. Allerdings brauchen die Spieler auch genügend Ingenieure und Gärtner für die Vorarbeiten, denn ohne genügend Bewässerung und dem Know-How der Gärtner können die oberen Gebiete gar nicht bebaut werden.

Amyitis reiht sich in die Ystari Spielereihe vor allem optisch gut ein, allerdings fehlt bei mir völlig das Gefühl für die Terrassenform der Hängenden Gärten, denn trotz farblicher Abstufungen ist es nun mal ein zweidimensionales Spiel. Auch der Spielaufbau machte uns anfangs etwas Probleme, sind diese Hürden überwunden, entpuppt sich Amyitis als ein spannendes Spiel, in dem Strategie und Taktik nicht zu kurz kommen. Ob Gelegenheitsspieler den Einstieg ins Spiel bekommen, möchte ich allerdings bezweifeln.

Amyitis
Autor: Cyril Demaegd
Verlag: Ystari / Huch and Friends
Spieler: 2–4
Alter: ab 12
Dauer: gute Stunde
Preis: ca. 30 Euro

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