Donnerstag, 26. Juni 2008

Nutz´ mit Spasshanf

Ich arbeite seit 2001 an der Organisation der Hanfparade mit und war seit 2002 im Vorstand des veranstaltenden Vereins Bündnis Hanfparade e.V. aktiv. Auf den folgenden beiden Seiten möchte ich euch einmal schildern, welche Probleme ich im Laufe der Jahre so mit harmlosem Nutzhanf auf der Hanfparade hatte.

Hanfparade 2002 –
Festnahmen wegen 63 Hanfpflanzen

Meine Geschichte beginnt im Jahre 2002. Damals beschlagnahmte die Polizei 63 Hanfpflanzen, die der Deutsche Hanf Verband von der Firma Hanffaser Uckermark erworben hatte. Die Beamten erklärten die Maßnahme damit, dass nicht ausgeschlossen sei, dass die Pflanzen während des Transports gegen „potente“ ausgetauscht wurden. Auch der Hinweis darauf, dass es selbst im drogenpolitisch mittelalterlichen Bayern, nämlich auf dem Hanftag in Nürnberg des gleichen Jahres, keine Probleme mit dem dort mitgeführten Nutzhanf gab, brachte kein Einsehen bei den Berliner Beamten. Sie griffen zur Säge und schnitten die Pflanzen einfach ab.

Der Geschäftsführer des DHV Georg Wurth und Theo Pütz, ein Aktivist des Vereins für Drogenpolitik, wurden vorübergehend festgenommen. Ihnen wurde vorgeworfen, mehr als 600 Gramm Betäubungsmittel besessen und abgegeben zu haben.

Noch auf der Hanfparade 2002 artikulierte sich spontaner Protest gegen die Schikane-Aktion der Polizei und Hans-Christian Ströbele rief den Teilnehmern der Veranstaltung während einer Rede vor der Bundeszentrale des CDU zu „Gebt das Hanf frei!“.

Dafür erntete er nicht nur von den Demonstrationsteilnehmern Zustimmung, auch die den damaligen Versammlungsleiter Stephan Kopschinski begleiteten Veranstalterkontaktbeamten, hatten wenig Verständnis für den unnötig eskalierenden Einsatz ihrer Kollegen.

Womit sicher weder die Hanfparade, noch die Polizei gerechnet hatte, war, dass Stephan Raab von der Sache Wind bekam und aus dem harmlosen Ausruf „Gebt das Hanf frei“ einen Charthit machte. Der gleichnamige Song erschien im Herbst 2002 und gehört seitdem zu den festen Bestandteilen jeder deutschsprachigen Pro-Cannabis-Veranstaltung. Noch heute rufen mir Unbekannte mitunter auf der Strasse ein „gebt das Hanf frei“ zu.

Obwohl eine Laboranalyse im Frühherbst 2002 ergeben hatte, dass es sich bei den Pflanzen zweifelsfrei um Nutzhanf, also um Pflanzen ohne Rauschwirkung, handelte, bestand der Staatsanwalt darauf, eine Hauptverhandlung durchzuführen, aber dazu später mehr.

Hanfparade 2003 –
Cannabispflanzen müssen abgeschnitten werden

Zunächst einmal kam der 23.08.2003. Wieder fand eine Hanfparade in Berlin statt. Angesichts der Ereignisse des Vorjahrs stand sie unter dem Motto „Gebt das Hanf frei!“. Diesmal beteiligte sich die Firma Hanffaser Uckermark, die im Vorjahr lediglich Pflanzen zur Verfügung gestellt hatte, selbst mit einem Paradewagen. Natürlich hatten die Vertreter des Unternehmens Hanf dabei, gehen sie doch tagtäglich mit ihm um, ohne dass es Probleme geben würde.

Erneut fand sich jedoch ein Polizeibeamter, der den Verdacht äußerte, bei den Pflanzen könne es sich um „böses Cannabis“ handeln. Die Betreiber des Paradewagens und ich als neuer Versammlungsleiter wurden aufgefordert, die Pflanzen zu entfernen. Dazu hatten weder wir Veranstalter noch der Hanfverarbeiter und Eigentümer Rainer Nowotny Lust und so weigerten wir uns unter Hinweis auf die Tatsache, dass Herr Nowotny jeden Tag weit größere Hanfmengen in seinem Unternehmen verarbeite und ihn deshalb der Umgang mit der paar Pflänzchen sicher nicht über Gebühr belaste. Eine Verwendung der Pflanzen zu Rauschzwecken sei ohnehin schon durch ihren extrem geringen THC-Gehalt ausgeschlossen.
Angesichts der inzwischen am Bundesfinanzministerium, dem Startort der Hanfparade 2003, erschienenen Fernsehteams, waren die Beamten bemüht, unnötiges Aufsehen zu vermeiden. Am Ende einigten wir uns mit den Polizisten auf einen Kompromiss. Zwar wurde ein Mitarbeiter der Hanffaser Uckermark vorübergehend festgenommen, weil er sich geweigert hatte der polizeilichen Anweisung „Schneid die Pflanzen ab“ nachzukommen, die Pflanzen wurden diesmal jedoch nicht beschlagnahmt.

Sie mussten aber abgeschnitten werden, da es sich dann nur noch um „Hanfstroh“ handele. Warum das gleiche Pflanzenmaterial, das, wenn es wächst, „illegal und gefährlich“ ist, durch Abschneiden zu einem polizeilich unbedenklichen Dekorationsmaterial wird, konnte jedoch keiner der Polizisten erklären.

Die Anzeige gegen den Mitarbeiter der Hanffaser wurde noch im Tagesverlauf wieder fallen gelassen. Auch dass im Nutz-hanfareal auf der Abschlusskundgebung an der Gedächtniskirche lebende Hanfpflanzen des gleichen Unternehmens standen, interessierte niemanden.

Januar 2004 – Das Hanf ist frei

Am 29. Januar 2004 kam es dann zur Verhandlung der Anklagen gegen Georg Wurth und Theo Pütz. Der damals vom Amtsgericht Tiergarten eingesetzte Richter kam zu der Überzeugung, dass die Verwendung der Pflanzen als Droge oder zur Produktion von Betäubungsmitteln schlicht unmöglich sei. Er konnte deshalb der Argumentation der Staatsanwaltschaft – Hanf ist in jedem Falle ein illegales Betäubungsmittel – nicht folgen.

So ganz schien aber auch die Staatsanwaltschaft nicht von ihrer Klage überzeugt. Sie unterließ es deshalb, Rechtsmittel gegen den von Weisheit und aufrechtem Rechtsbewusstsein getragenen Freispruch einzulegen.

Hanfparade 2004 – Kinder eines Hanfbauern verhaftet

Durch den Freispruch gestärkt, planten wir auch für die Hanfparade 2004 die Anwesenheit von lebenden Nutzhanfpflanzen. Wie immer wurden diese Pläne frühzeitig mit der Polizei in so genannten Veranstaltergesprächen abgestimmt. Das sind Treffen, bei denen die Veranstalter einer Demonstration und die demonstrationsbegleitenden Beamten den Verlauf und potentielle Probleme durchsprechen. Sollte es dabei zu Konflikten kommen, so ist es Aufgabe der in der Regel ebenfalls anwesenden Versammlungsbehörde zu vermitteln und entsprechend der Vorschriften des Versammlungsrechts „für einen versammlungsfreundlichen Ablauf“ zu sorgen.

Auch die im Jahr 2004 beteiligten Polizisten kannten das noch druckfrische Urteil und so standen sie der Vorstellung „lebender Nutzhanf auf der Hanfparade“ nicht prinzipiell ablehnend gegenüber. Statt über das „Ob“, diskutierten wir also lange über das „Wie“.

Schliesslich einigten sich Veranstalter und Polizei darauf, dass wir durch einen Bauzaun, der die Pflanzen mit wenigstens einer Armlänge Abstand umgibt, sicherstellen, dass niemand Pflanzen oder Pflanzenteile entfernt um sie einer womöglich illegalen Verwendung zuzuführen.
Dennoch verlief auch die Hanfparade 2004 unter dem Motto „Get Wise Legalize – Drogenfahnder zu Kleingärtnern!“ nicht ohne Zwischenfälle. An der Demonstration beteiligte sich nämlich auch ein PKW der Hanffaser Uckermark. In ihm saßen die Kinder Herrn Nowotnys inmitten eines das Fahrzeug bis unters Dach füllenden Berges frisch geernteter Hanfpflanzen. Nach rund 2 Stunden oder knapp der Hälfte der Strecke der Hanfparade kam auf einmal Unruhe auf.

Am Ort des Geschehens angekommen erklärte mir ein Beamter, die Kinder hätten nichts dagegen unternommen, dass einzelne Demonstrationsteilnehmer sich durch die geöffneten Fenster einzelne Hanfblätter abrissen und sich mit dem so illegal erworbenen Hanf entfernten.

Zunächst wollte ich über diesen absurden Vorwurf lachen, dies verging mir jedoch, als die Polizei daran ging, die beiden Minderjährigen Insassen des Fahrzeugs zu verhaften.

Obwohl keiner der beiden zu diesem Zeitpunkt im strafmündigen Alter war, wurden sie auf eine Polizeistation verschleppt und mussten dort von ihrem Vater abgeholt werden. Eine Anzeige erhielten die beiden Kinder oder ihr Vater meines Wissen nach nicht.

Verständlicherweise war Rainer Nowotny ob der Geschehnisse ziemlich aufgelöst und so kündigte er noch am gleichen Tag an, Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Beamten einzulegen.

Der Hanf, den wir auf der Abschlusskundgebung der Hanfparade 2004 auf dem Oranienplatz in Kreuzberg platzierten und gemäß der Absprachen mit der Polizei mittels Bauzaun sicherten, hatte zwar unter einem heftigen Platzregen gelitten, blieb sonst aber auch von der Polizei unbehelligt. Es handelte sich damals um rund 100 Pflanzen, die dank der hohen Temperaturen während des Transports und des Regenschadens keinen spektakulären Eindruck machten.

Hanfparade 2006 –
Ein Hanffeld für Berlin?

Das Verbot der Abschlusskundgebung 2005 brachte den Bündnis Hanfparade e.V. an den Rand des Ruins. Fieberhaft dachten wir darüber nach, wie man das zur Rettung des Vereins nötige Geld auftreiben könne. Eine zunächst auch von mir belächelte Idee war es, Hanfpflanzen auf dem Gelände der Hanffaser Uckermark wachsen zu lassen, die explizit für die Hanfparade bestimmt sind. Dadurch wollten wir eine bessere Vorbereitung der Pflanzen auf den Transportstress und eine „reisefertige“ Lagerung der Pflanzen erreichen. Dies sollte verhindern, dass sie einen ähnlich lädierten Eindruck machen, wie ihre Artgenossen zwei Jahre zuvor.

Zu meiner Überraschung fanden sich schnell Unterstützer für die Idee. So stellte ein namhafter Hersteller Dünger und weitere wachstumsfördernde Mittel zur Verfügung, ein Berliner Versandunternehmen beteiligte sich mit Messtechnik und ähnlichem. Auch helfende Hände fanden sich in ausreichender Zahl. Daraufhin beschlossen wir endgültig, den nicht unerheblichen Aufwand zu betreiben, die Pflanzen nach Berlin zu fahren und vor dem Brandenburger Tor zu drapieren. Außerdem wollten wir Patenschaften für die Pflanzen versteigern und so Geld für die Tilgung der Schulden des Bündnis Hanfparade e.V. zu sammeln.

Cannabis am Brandenburger Tor

In den späten Nachmittagsstunden des 04.08.2006 kamen die ersten Pflanzen am Brandenburger Tor an. Dies war so auch mit den Behörden abgesprochen, da der Aufbau der Veranstaltung die ganze Nacht dauern würde. Schon die ersten Paletten mit Hanf erregten einiges Aufsehen bei den anwesenden Touristen. Die Polizei interessierte sich nicht dafür.

Ich ging schlafen und kam am 05.08.2006 gegen 6:00 Uhr wieder am Brandenburger Tor an. Noch immer schien sich kein Polizist für die inzwischen unübersehbaren 10.000 Cannabispflanzen zu interessieren.

Als ich mit der Demonstration gegen 15:45 Uhr wieder am Brandenburger Tor ankam, bot sich mir ein trauriger Anblick. Dort, wo noch vor Stunden knapp 2 Meter hoher Hanf stand, waren jetzt leere Töpfe mit den Stümpfen der Pflanzen. Teilweise waren ganze Töpfe aus den sie tragenden Paletten herausgerissen. Hier und dort lagen noch Pflanzenreste und einzelne Blätter.

Am Südende des Veranstaltungsgeländes, unmittelbar gegenüber der Baustelle der Botschaft der USA, standen zu meiner Überraschung jedoch noch 4 oder 6 Paletten, die der Abschnitt-Aktion entgangen waren.

Auf Nachfrage teilte mir die Einsatzleitung mit, diese Pflanzen würden sich außerhalb des angemeldeten Bereichs befinden und wären deshalb dem Zugriff der versammlungsbegleitenden Beamten entzogen. So lange wir es nicht übertreiben würden, wäre dies auch den Rest des Tages ok.

Die Pflanzen wurden denn auch tausendfach fotografiert und gefilmt. Viele Hanfparaden-Besucher und Touristen konnten so zum ersten Mal sehen, wie die zu unrecht geächtete Hanfpflanze in natura aussieht. Ein Paradebesucher dankte mir ausdrücklich dafür, dass er endlich einmal live gesehen hätte „an welchem Baum die Joints wachsen“.

Tagelang stand mein Telefon nicht still. Ein Presseecho wie nach dem Abschneiden der Pflanzen habe ich vorher und hinterher nicht erlebt. Sogar die konservative Tageszeitung „Welt“ fragte sich, ob an diesem Tag das echte Verbrechen eine Pause gemacht habe, oder wie die Polizei diese Verschwendung von Mensch und Material rechtfertige. Niemand zog ernsthaft in Erwägung, dass es tatsächlich zu einem Verfahren kommen würde. Einhellig die Meinung, das ganze sei eine einzige Steuerverschwendung.

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Die Cannabis-Community verliert ihren Anwalt – Hanfjournal
1 Jahr zuvor

[…] sensationellen Auftritt legte Ströbele 2002 bei der alljährlich in Berlin stattfindenden Hanfparade hin. Die Cannabis-Freigabe war ihm über die vielen Jahrzehnte zur Herzensangelegenheit geworden. […]