Dienstag, 20. Januar 2009

Was geschieht mit THC im Körper? (1)

Neue Serie

In einer Reihe von drei aufeinanderfolgenden Beiträgen möchte ich die folgenden Fragen beantworten:
1. Wie viel THC erreicht den Blutkreislauf nach dem Rauchen oder Essen von Cannabisprodukten?
2. Wie verteilt sich THC im Körper und wie viel THC erreicht dabei des Gehirn?
3. Wie viel THC gelangt über die Plazenta zum Fetus und wie viel in die Brustmilch von stillenden Müttern?
4. Wie verläuft die Konzentration von THC im Blut?
5. Wie wird THC im Körper abgebaut und wie lange sind diese Abbauprodukte nachweisbar?
6. Wie wird THC und seine Abbauprodukte im Stuhl und Urin ausgeschieden?
7. Wie verlaufen die Wirkungen von THC im Verhältnis zum Verlauf der Konzentration im Blut?

Diese Fragen stellen sich für jede pharmakologisch wirksame Substanz, für jedes Gift, für jedes Medikament und jeden wichtigen Nahrungsbestandteil. Sie werden durch die so genannte Pharmakokinetik einer Substanz, durch die Bewegung der Substanz durch den Körper beschrieben, durch seine Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechselung und Ausscheidung.

Wie viel THC erreicht den Blutkreislauf?
Wie bei vielen anderen Substanzen unterscheidet sich auch bei THC die Pharmakokinetik in Abhängigkeit von der Art der Aufnahme. Beim THC sind dies im Wesentlichen die Inhalation (rauchen, verdampfen) und die orale Aufnahme (essen, trinken). Die Aufnahme über die Haut, die Mundschleimhaut, die Bindehaut der Augen und den Enddarm (Suppositorien) spielen bei der Verwendung von Cannabis im Freizeitbereich keine relevante Rolle, sind jedoch möglicherweise im medizinischen Bereich interessant.
Beim Rauchen ist THC innerhalb weniger Sekunden nach dem ersten Zug im Blut nachweisbar mit maximalen Blutkonzentrationen etwa fünf Minuten nach Beginn des Rauchens. Etwa 10 bis 35 Prozent des THC einer Cannabiszigarette erreicht die Blutbahn. Gewohnheitsmäßige Konsumenten erzielten in Untersuchungen durchschnittlich eine bessere Ausbeute als unerfahrene Cannabisraucher. Diese Ausbeute wird durch die Tiefe des Einatmens, die Zugdauer und die Länge des Anhaltens der Luft beeinflusst. Verluste entstehen durch die Zerstörung eines Teils des THC durch Verbrennung, durch Seitenströme und durch eine unvollständige Aufnahme von THC durch die Schleimhaut der Atemwege. Etwa 30 Prozent geht durch Verbrennung verloren, und in einem Test mit einem Vaporizer wurde festgestellt, dass durchschnittlich etwa 35 Prozent des Inhalierten THC sofort wiederausgeatmet wurde.
Bei der oralen Aufnahme (essen, trinken) ist die Aufnahme langsam und unsicher. Maximale THC-Blutkonzentrationen werden im Allgemeinen nach 60 bis 120 Minuten festgestellt. Ein Teil des THC wird durch die Magensäure abgebaut, der größte Teil wird jedoch im oberen Magendarmbereich aufgenommen und gelangt über die Pfortader in die Leber. In der Leber wird der größte Teil des THC gleich abgebaut, sodass nur 4 bis 12 Prozent des THC in den gesamten Blutkreislauf gelangen. Ein Teil der Abbauprodukte von THC wirkt allerdings ähnlich wie THC und trägt zur Gesamtwirkung bei. Dies gilt vor allem für das Abbauprodukt 11-Hydroxy-THC (11-OH-THC).

Wie viel THC erreicht das Gehirn und andere Organe?
Etwa 90 Prozent des THC befindet sich nach der Aufnahme im wässrigen Anteil des Blutes, im so genannten Blutserum. THC ist dort überwiegend an Proteine gebunden und fließt so durch die Blutgefäße. Es gibt nur wenig „freies THC“ im Blut, da THC nicht gut wasserlöslich ist.
Wegen dieser schlechten Wasserlöslichkeit, jedoch guten Fettlöslichkeit, verändert sich relativ schnell das Verhältnis zwischen der THC-Konzentration im Blut und der THC-Konzentration in anderen Körpergeweben, insbesondere fettreichen Geweben. THC dringt relativ schnell in gut durchblutete Gewebe ein, darunter Leber, Herz, Lunge, Muskeln, Milz, Nieren und Plazenta.
Nur etwa ein Prozent des THC, das intravenös gegeben, also vollständig aufgenommen wurde, befindet sich zum Zeitpunkt der maximalen psychischen Wirkungen im Gehirn. Diese relativ niedrige Konzentration im Gehirn beruht wahrscheinlich auf der starken Durchblutung des Gehirns, was THC relativ schnell ins Gehirn, aber auch schnell wieder heraus bringt. Es scheint so zu sein, dass das THC-Abbauprodukt 11-Hydroxy-THC schneller ins Gehirn eindringt und höhere Konzentrationen erzielt als THC selbst. Da 11-Hydroxy-THC ebenfalls psychoaktiv ist und bei der oralen Aufnahme (essen, trinken) in einem größeren Umfang in der Leber gebildet wird als bei der Inhalation, ist anzunehmen, dass dieses Abbauprodukt, insbesondere bei der oralen Aufnahme, erheblich zu den THC-Wirkungen beiträgt.
Danach reichert sich THC und seine Abbauprodukte in weniger gut durchbluteten Geweben und schließlich im Körperfett an. Die genaue Zusammensetzung des Materials, das im Fett angereichert wird, ist unbekannt. Darunter befinden sich unverändertes THC und seine Abbauprodukte, zum Teil in chemischen Verbindungen mit Fettsäuren.

Fortsetzung in der nächsten Ausgabe

Dr. med. Franjo Grotenhermen ist unter anderem Vorstand Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, ausserdem Editor im Magazin “Cannabis and Cannabinoids. Pharmacology, Toxicology and Therapeutic Potential”, welche auf Deutsch, Englischu nd Spanisch erscheinen, sowie “Cannabis, Straßenverkehr und Arbeitswelt”, und Autor von “Hanf als Medizin”

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