Mittwoch, 2. November 2011

10 Jahre Egotronic

Neues Album, neues Buch, neue Tour

Zum zehnjährigen Bandjubiläum erscheint ihr fünftes Album „Macht keinen Lärm“, welches auf einer Extra-DVD noch den Dokumentarfilm „10 Jahre Egotronic – Schlägerei zum Thema“ von Aron Krause liefert. Oben drauf gibt’s den Doku-Roman „Raven wegen Deutschland“ von Torsun und Kulla. Für mich waren das gute Gründe, mich an einem verträumten Dienstagnachmittag mit Torsun, Endi und Tilli zu treffen und über ihre neuesten Streiche zu plaudern …

„Macht keinen Lärm“
Endi spricht von einer „Indie-Pop-Platte vom Allerschönsten“, Torsun dagegen von der bisher punkigsten Platte – aber wie auch immer man das neue Album musikalisch einordnen möchte: allein durch die vielen Gitarren („Akkordgeschrubbe wie beim Punkrock“) kommen die acht neuen Tracks viel songorientierter. Gleich für die erste Single-Auskopplung „Rannte der Sonne hinterher“ spielte Mirco (von der Bielefelder Band Endearment) ein Gitarrenriff ein, das etwas an die alten Wipers (Torsun und Endi sind grosse Fans) erinnert. Die bereits darin enthaltene Melancholie zieht sich wie ein Faden durch das gesamte Album. In „Aufstehn“ erzürnt sich Torsun über Berliner Polizisten, die einen Vietnamesen nach Schönefeld verschleppten, dort auf einem Ackerfeld auf ihn einschlugen und später trotz Zeugin freigesprochen wurden, während der 21jährige Vietnamese abgeschoben wurde. Das einzige Stück, das diesmal die Thematik des Feierns aufgreift, heisst „Manchmal“ und handelt von Überdosierung und dem Reflektieren darüber. Nachdem „Die Bismarck“ (eine Cover-Version für Superpunk) versenkt wurde, gibt’s mit Sebastian (Madsen) eine gut gelaunte Nummer unter dem Titel „Planet Disco“. Eigentlich sollte es noch einige andere Features geben, aber aus zeitlichen Gründen hat das nicht mehr geklappt. Mir persönlich beschert der Song „Den Kampf verloren“ die grösste Gänsehaut – der wohl emotionalste Song, der in zehn Jahren Egotronic geschrieben wurde und der den Selbstmord eines sehr guten Freundes versucht aufzuarbeiten, indem Torsun „im Text versucht die Gedanken nachzuvollziehen, die die Gedanken gewesen sein müssen, bevor er den Entschluss gefasst hat, sich umzubringen.“ Im Kontrast dazu folgt mit „Dich glücklich sehen“ der schnellste Song, bevor am Ende noch „Tolerante Nazis“ die Meinung gesagt bekommen. Zwischendurch hören wir dem Mischer, dem Booker, der Fahrerin, dem Techniker, der Vorband und dem Chef dabei zu, was sie so alles über Egotronic denken und zu sagen haben, was dem Album neben dem wieder mal gelungenen Cover (erneut in Anlehnung an eine Punkband) eine weitere amüsante Note verleiht. Darüber hinaus bietet der einstündige Dokumentarfilm „10 Jahre Egotronic – Schlägerei zum Thema“ von Aron Krause auf einer Extra-DVD interessante Einblicke in das wilde Leben der Band.

Video zur Radio Single:
Egotronic – Rannte der Sonne hinterher (feat. Mirco)
http://vimeo.com/30201489

„Raven wegen Deutschland“
Die Idee zu diesem Buch entstand im Jahre 2009 auf dem Hamburger Reeperbahnfestival, als Audiolith-Mastermind Lars zu Torsun meinte: „Es gibt niemanden bei Audiolith, der so polarisiert wie Du. Schreib’ doch mal ’n Buch.“ Daraufhin Torsun: „Warum eigentlich nicht?“ Für eine Band-Autobiographie wäre es wohl noch viel zu früh gewesen, daher entschied sich Torsun für das spannende Jahr 2007, in dem er mit seinen Freunden eine äusserst intensive Zeit erlebte und es auch für Egotronic den „krassesten Bruch“ gab. Anfang des Jahres stieg Hoerm aus, der Sommer war Rave pur, und im Herbst erschien die zweite Platte „Lustprinzip“.
Danach sollte nichts mehr so sein wie vorher. Plötzlich waren die Clubs brechend voll, was sich gleich auf der ersten Release-Show andeutete, und so wurde die Musik zu einem echten Job. In vorliegendem Doku-Roman blickt Sänger und Bandgründer Torsun auf die heftigen wie auch entscheidenden Monate Mai bis Oktober 2007 zurück und erzählt, wie sich aus dem tiefsten Drogen- und Feierexzess, aus Liebeskummer und Trennungsschmerz eine Band entwickelte, die mit Bassgewalt die Tanzböden eroberte und nie ein Blatt vor den Mund nimmt („Beats für die Beine und ’ne Message für den Verstand“). Dabei galt es sich stets zu bemühen, bei der Wahrheit zu bleiben und nichts auszuschmücken. Auch die ganzen Unsicherheiten und Zweifel, wie es denn jetzt so weitergeht, schwingen mit und machen so das Werk sehr authentisch. Der Konsum diverser Drogen wird nicht glorifiziert, sondern wird so beschrieben, als wäre es Alltag und so war es ja auch. Abwechselnd dazu hat Daniel Kulla alle möglichen Zeitzeugen interviewt, die diesen Sommer hautnah miterlebt haben, aus einer anderen Perspektive zu Wort kommen und teilweise genau dem widersprechen, wovon Torsun kurz zuvor noch berichtet hat, was dementsprechend amüsant ist. Auch für das Vorwort sowie die am Ende zusammengestellte „Bandgeschichte“ in chronologischer Abfolge zeichnet sich Kulla verantwortlich. Wer Freude an den politischen Aspekten und Positionierungen hat, für die Egotronic stand und steht, kommt in diesem Kapitel definitiv auf seine Kosten. Wenn man die fünf Alben von Egotronic kennt und hier und da auch mal ein Konzert besucht hat, ist es sehr lesenswert, wie Torsun sich auf bisher unbekanntem Terrain austobt.

Einen kleinen Vorgeschmack findet ihr hier:
http://vimeo.com/28193805
Zu bestellen gibt es das „Möbelstück“ im audiolith.net/shop oder im gut sortierten Buchhandel.
ISBN 978-3-931555-42-9
www.ventil-verlag.de

„Alles legalisieren“
Ob es sich nun um unseren Hanf oder jedes andere „Mittelchen“ handelt – Torsun ist ein grosser Verfechter der Legalisierung, da er sich erstens gegen harte, staatliche Reglements auflehnt und da man zweitens alle Substanzen, die illegal sind, in der Regel nur gepanscht erhält. So hat auch er als Nicht-Kiffer von dem „Blei-Skandal“ mitbekommen und sich darüber aufgeregt. Torsun ist der Meinung, dass ja oftmals nicht die jeweilige Substanz, sondern eher das Streckmittel das Problem darstellt. So etwas wäre Geschichte, wenn die jeweilige Droge nicht mehr illegal wäre. Ausserdem plädiert er für eine grössere Aufklärung von Risiken und Wirkungsweisen. Kürzlich las er irgendwo einen interessanten Artikel über Verbote im Allgemeinen, in dem zum Ausdruck kam, dass in letzter Zeit eher an der Unmündigkeit getüftelt wird anstatt den Leuten die Möglichkeit zu geben sich mal wirklich objektiv über irgendetwas Gedanken zu machen. In punkto Cannabis spricht Torsun in unserem Gespräch auch den medizinischen Nutzen an, ohne zu vergessen, dass auch Psilocybin und LSD unter medizinischen Aspekten richtig sinnvoll sein können und dass man sich durch den illegalen Status solch psychoaktiver Substanzen viele Möglichkeiten verbaut. Auch das Interview mit Renate Künast (wir berichteten) hat er gelesen und fand ihre Aussagen zu Hanf „das Hinterletzte“, wie er mehrfach betonte.

Macht keinen Lärm Tour 2011
präsentiert von Intro, Mainstage, Jungle World

Di. 01.11. Heidelberg (Häll) +++ Mi. 02.11. Bonn (Bla) +++ Do. 03.11. Oberhausen (Druckluft) +++ Fr. 04.11. Witten (Werkstadt) +++ Sa. 05.11. Bielefeld (JZ Kamp) +++ Do. 10.11. Kiel (Meierei) +++ Fr. 11.11. Husum (Speicher) +++ Sa. 12.11. Bremen (Tower) +++ Do. 24.11. Leipzig (Moritzbastei) +++ Fr. 25.11. A-Wels (Alter Schlachthof) +++ Sa. 26.11. Amberg (Casinosaal) +++ Fr. 02.12. Erfurt (Stadtgarten) +++ Sa. 03.12. Würzburg, (Cairo) +++ Do. 08.12. Lüneburg, (Salon Hansen) +++ Fr. 09.12. Köln (Gebäude 9) +++ Sa. 10.12. Lingen (Alter Schlachthof) +++ Fr. 16.12. Hamburg (Hafenklang) +++ Sa. 17.12. Berlin (Magnet) +++ die Tour wird fortgesetzt bis zum 05.01.2011 …

Infos:
www.egotronic.net
www.torsun.blogsport.de
www.facebook.com/pages/Egotronic/7045292479
www.audiolith.net

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