Freitag, 13. Januar 2012

Eine Meldung mit Folgen

Krankenkasse räumt ein:”Komakiffen gibt es nicht”

Die Techniker Krankenkasse hat Ende 2011 diese Pressemeldung veröffentlicht. Auf telefonische Nachfrage unserer Redaktion räumte eine Sprecherin der Krankenkasse ein, dass

– es “Komakiffen” nicht gäbe. Bei keinem der Behandelten wurde, anders als bei den alkoholbedingten Einweisungen, ein Koma diagnostiziert.

– alle Personen in der Statistik “Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide” mitgezählt wurden, die aufgrund von Problemen, wegen des Konsum so genannter Räuchermischungen behandelt wurden.

– ebenso alle Personen mitgezählt wurden, die aufgrund des Konsums von mit Streckmitteln versetzten Gras Hilfe im Krankenhaus suchten, selbst die 200 Bleivergiftungen in Leipzig.

Schaut man sich die Zahlen im Original an, so schnellt der Anstieg der Krankenhauseinlieferungen zeitgleich mit dem Auftauchen der Räuchermischungen und von gestreckten Gras Mitte des letzten Jahrzehnts in die Höhe. Über keine der beiden Phänomene gibt es separate medizinische Daten, alles kommt in den Topf der “Psychischen und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide”. Zudem impliziert die Meldung, dass die Abhängigkeitsrate unter Cannabisrauchern höher sei. Ein Blick auf die aktuellen Zahlen der Bundesregierung:

– 9,5 Mio. Menschen in Deutschland konsumieren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form

– Etwa 1,3 Mio. Menschen gelten als alkoholabhängig

– Ungefähr 500.000 konsumieren Cannabis “missbräuchlich”, wobei hier, anders als bei Alkohol, nicht zwischen Missbrauch und Abhängigkeit unterschieden wird. Im Vergleich zu 2006 hat sich der Anteil Cannabisabhängiger und Problemkonsumenten gemäß der SDS unter 18- bis 59-Jährigen in 2009 statistisch nicht signifikant verändert.*

Inhaltlich bleibt also nicht sehr viel übrig vom “Immensen Anstieg des Komakiffens”, mit Ausnahme der medialen Folgen. Die kann man in über 100 Publikationen nachlesen, so zum Beispiel hier oder hier.

*Die DHS zu Cannabisabhängigkeit : “Die Schätzungen zur Prävalenz von Cannabisabhängigkeit nach SDS unterscheiden sich von Schätzungen nach den Kriterien des DSM-IV (0,7% Missbrauch bzw. 0,4% Abhängigkeit im Jahr 2006; Kraus, Pfeiffer-Gerschel, Pabst, 2008). Dies ist darauf zurückzuführen, dass die SDS eine Abhängigkeit nach DSM-IV überschätzt, da eine nicht vollkommene Spezifität des Instruments (korrekter Ausschluss einer Diagnose wenn keine Abhängigkeit vorliegt) einen Teil von Personen ohne Abhängigkeitssymptomatik als „positiv“ bewertet (Steiner, Baumeister, Kraus, 2008). Diese Gruppe weist in den allermeisten Fällen einen problematischen Konsum auf, so dass die Prävalenzschätzung mit dem SDS neben Cannabisabhängigen auch Personen mit einem problematischen Cannabiskonsum einschließt.”

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen