Montag, 30. April 2012

Mögliche therapeutische Wirkungen von Cannabidiol

Franjo Grotenhermen ist Vorstand und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin

Cannabidiol ist in vielen Drogenhanf-Sorten nach THC das zweithäufigste Cannabinoid. Im THC-armen Faserhanf ist es häufig das am stärksten vertretene Cannabinoid mit Konzentrationen in einer Größenordnung von 0,5 bis 2 Prozent im oberen Pflanzendrittel. Die Erforschung der möglichen medizinisch nutzbaren Wirkungen von Cannabisbestandteilen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vor allem auf THC konzentriert, in den letzten Jahren ist jedoch das Interesse an anderen Cannabinoiden und dabei vor allem an Cannabidiol (CBD) gestiegen.
Die meisten CBD-Wirkungen wurden bisher nur im Tierversuch nachgewiesen. So linderte es Schmerzen aufgrund einer Nervenverletzung oder aufgrund von Entzündungen bei Ratten. Es wirkt nervenschützend, indem es wirksamer als Vitamin C freie Radikale fängt. Es wirkt antiepileptisch, hemmt Übelkeit, tötet Krebszellen bei Brustkrebs und einigen anderen Krebsarten, wirkt entzündungshemmend, hemmt die Anhäufung von Prionproteinen in Prion-infizierten Zellen und könnte so dem Rinderwahnsinn (BSE) vorbeugen. Es wirkt antibakteriell gegen bestimmte gefährliche Keime (MRSA) mit hoher Antibiotikaresistenz und reduziert im Tierversuch das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes (Zuckerkrankheit).

Hemmung der psychischen THC-Wirkungen: Zu einer der ersten am Menschen beobachteten CBD-Wirkungen zählt die Eigenschaft von CBD bestimmte Wirkungen des THC zu hemmen. So stellte eine brasilianische Arbeitsgruppe bereits Anfang der 80er Jahre fest, dass die gleichzeitige Verabreichung von 20 mg oralem THC und 40 mg oralem CBD deutlich geringere psychische Wirkungen verursachte als die alleinige Gabe von 20 mg THC. Auch die Beeinflussung der Herzfrequenz fiel geringer aus. Heute ist bekannt, dass CBD seine Wirkungen zum Teil durch die Blockierung des Cannabinoid-1-Rezeptors im Gehirn ausübt, der von THC stimuliert wird. Daher ist es nicht überraschend, dass CBD einigen THC-Effekten entgegenwirkt, darunter beispielsweise auch der Steigerung des Appetits.
In einer Studie aus dem Jahr 2004 verstärkte 15 mg orales THC, das einigen Freiwilligen abends um 22 Uhr verabreicht wurde, im Vergleich zu einem Plazebo die Schläfrigkeit. Erhielten die gleichen Teilnehmer an dieser Untersuchung jedoch an einem anderen Abend gleichzeitig 15 mg THC und 15 mg CBD, so war diese schlaffördernde Wirkung des THC abgeschwächt, ein Hinweis auf eine mögliche wach machende Wirkung von CBD. In anderen Studien wurden allerdings sedierende Wirkungen von CBD beobachtet.

Muskelentspannung: Es gibt einige Fallberichte, nach denen Cannabidiol bei einigen Patienten mit Dystonien bzw. Dyskinesien wirksam war. Dabei handelt es sich um Bewegungsstörungen, die mit einem verstärkten Muskeltonus einhergehen. 1984 wurde der erste Fall eines Patienten veröffentlicht, dessen Meige-Syndron durch 200 mg CBD gebessert wurde. Das Meige-Syndrom ist eine Dystonie mit einer Kombination von Lidkrampf und Verkrampfungen der Kaumuskeln und Muskeln der unteren Gesichtshälfte.
Bei der Parkinson-Krankheit werden durch die Behandlung mit Levodopa gelegentlich als Dyskinesien bezeichnete Bewegungsstörungen verursacht. 1985 wurde darüber berichtet, dass die Behandlung mit Cannabidiol bei einem einzelnen Patienten diese Dyskinesien besserte.
Linderung von Angst und Psychosen: 1993 wurde eine Studie der bereits oben erwähnten brasilianischen Arbeitsgruppe veröffentlicht, in der die angstlösenden Wirkungen von 300 mg Cannabidiol mit 10 mg Diazepam (Valium) verglichen wurden. Dabei wurden die Teilnehmer gebeten, vor einer Videokamera eine Rede zu halten. Dieser Vorgang erhöht die subjektive Angst und seine physiologischen Begleiterscheinungen, wie Steigerung der Herzfrequenz und der Atemfrequenz. Die Ergebnisse zeigten, dass CBD und Diazepam die durch den Test ausgelöste Angst verminderten.
Im Jahr 1995 veröffentlichte die gleiche Forschergruppe erste Erfahrungen mit der Verwendung von Cannabidiol bei einer psychotischen Patientin. Die Symptome nahmen nach CBD-Behandlung (1500 mg pro Tag) ab. In einer späteren Studie an der Universität Köln wurden ebenfalls antipsychotische Wirkungen bei einer täglichen Dosis von 800 mg beobachtet.

Krebshemmung: Eine der bemerkenswertesten Erkenntnisse der letzten Jahre war die Entdeckung der krebshemmenden Wirkungen von Cannabidiol. So stellten italienische Wissenschaftler im Jahr 2006 fest, dass Cannabidiol das Wachstum menschlicher Brustkrebszellen, die unter die Haut von Mäusen gespritzt worden waren, hemmte. CBD reduzierte auch die Lungenmetastasen, die aus menschlichen Brustkrebszellen in Tieren entstanden waren. Das Cannabinoid veranlasste die Zellen, sich selbst umzubringen. Andere experimentelle Studien bestätigten die Krebs hemmenden Eigenschaften von Cannabidiol.
Es ist bisher leider nicht bekannt, ob und wie sich diese Beobachtungen auf den Menschen übertragen lassen, und welche Dosierung gegebenenfalls wirksam wäre. Dies gilt auch für einige andere nur in experimentellen Studien beobachtete CBD-Wirkungen.

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