Mittwoch, 30. Mai 2012

Nix zu verbergen

Rastlos statt rechtlos

Vergangenen Monat hatten wir uns noch gefreut, dass das Thema Drogenpolitik, insbesondere die Re-Legaliserung von Hanf, das Nischendasein in der großen Politik zu verlassen scheint und die negativen Auswirkungen des weltweiten „War on Drugs“ auch unsere Medienlandschaft immer häufiger aufschrecken. Der Zuspruch im Internet ist immens und so hatten Aktivisten wie Max Plenert, Georg Wurth (beide DHV), Steffen Geyer oder auch unsere Redaktion darauf gesetzt, dass der Sommer 2012 ganz im Zeichen der Legalisierung stehen sollte: Es gab und gibt, nicht nur durch die Cannabiskultour, so viele Hanf-Events wie niemals zuvor, eine echte Konsumenten-Entkriminalisierung lässt jedoch weiter auf sich warten.

Die Zukunft der Coffeeshops ist ungewiss.

Eigentlich wäre es da doch nur logisch, wenn die zahlreichen Hanfdemos in diesem Sommer gut besucht würden. Aber was in Wien oder Prag kein Problem zu sein scheint, ist in Deutschland anscheinend Utopie: Eine wirklich gut besuchte Demonstration zur Re-Legalisierung von Cannabis hat es, mit Ausnahme einiger Berliner Hanfparaden, bisher nicht gegeben. Zum Hanftag in Berlin, Frankfurt und Hannover oder zu den bisherigen Veranstaltungen der Cannabiskultour war man fast wieder nur unter sich.
Woher kommt diese Diskrepanz?

Im Internet ist man gerne immer vorne dabei, geht es dann aber auf die Straße, scheint vielen Legalisierungsfreunden die Luft zu dünn zu werden. Schämt man sich für die „typischen Kiffer“, die sich auf den Demos frei von Angst präsentieren, fremd? Ist es die Angst, sich offen zum kriminalisierten Kraut zu bekennen?

Oder ist es einfach Faulheit, weil es ja für die Verfügbarkeit von Cannabis oder anderen Drogen nur eine untergeordnete Rolle spielt, ob sie legal oder illegal zu erwerben sind? Kurzum: Auch wer sich weiterhin verkriecht, muss keine Angst haben, in naher oder ferner Zukunft ganz ohne Tüte dazustehen. Und genau damit rechnet die Politik, wenn sie den Kurs der Pseudo-Entkriminalisierung fortführt, ohne den Gegenwind von der Straße zu spüren. Das Internet ist eine wunderbare Plattform, Widerstand zu organisieren und zu bewerben, den im wahrsten Sinne des Wortes letzten Schritt Richtung Öffentlichkeit müssen aber gerade die tun, denen man die Hanfaffinität nicht auf den ersten Blick anmerkt- die schweigende Mehrheit, auf die sich Konservative Kreise anscheinend auch bei Hanffreundinnen und -freunden verlassen können.

Selbst wenn uns all die Millionen Hanfraucher/innen im WorldWideWeb anonym unterstützen; es wird heißen, das läge an der speziellen Internetpräsenz des Themas sowie an der Möglichkeit, anonym zu bleiben oder gar mehrfach an Polls teilzunehmen.

Echte Menschen auf der Straße kann man jedoch nicht wegdiskutieren oder ignorieren, insbesondere wenn es viele sind. Neuste Zahlen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen lassen vermuten, dass es in Deutschland nicht vier, sondern sechs bis acht Millionen Kiffer gibt. Ein Großteil von ihnen Erwachsene, die immer noch gerne einen quarzen, bislang aber von keiner Statistik erfasst werden. Das sind jedoch genau jene, die der Bewegung einen echten Schub geben könnten, aber leider aufgrund von Verpflichtungen in Familie, Beruf und Privatleben anonym bleiben möchten.

In den USA hat das Thema Re-Legalisierung nur den Mainstream erreicht, weil die Legalisierungsbewegung reihenweise Mitstreiter aus dem bürgerlichen Lager mobilisieren konnte, die ihre Berührungsängste mit den „Hanf-Outlaws“ nach vielen Jahren endlich zu überwinden wussten. Dort gibt es „Mütter für die Legalisierung“, „Polizisten für die Legalisierung“, „Schwule für die Legalisierung“, fast jede gesellschaftlich relevante Gruppierung hat dort ihre „Legalizer“.
Es wäre schön, wenn man hierzulande Ähnliches erleben könnte.

Der Sommer ist noch lang und die Cannabiskultour bietet genau den richtigen Anlass, die Kifferhöhle zu verlassen und sein Gesicht für eine menschenwürdige Drogenpolitik zu zeigen. Mit Oma, Opa, Kind und Kegel, aber leider immer noch ohne Tüte.

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