Mittwoch, 30. Mai 2012

Zur Decarboxylierung von THC-Säure in THC

Franjo Grotenhermen ist Vorstand und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin

Cannabis sollte vor der oralen Aufnahme erhitzt werden, um die weitgehend inaktive saure Form des THC in seine phenolische Form umzuwandeln. Man nennt diesen Vorgang „Decarboxylierung“, weil die sauren THC-Formen Carboxyl-Säuren sind. Abgekürzt werden diese (beiden) THC-Säuren meistens mit THCA (englisch: THC-acid). Leider wird beim Erhitzen gleichzeitig auch THC zerstört beziehungsweise zu Cannabinol (CBN) oxidiert. Gelegentlich kann man fälschlicherweise lesen, es erfolge eine Oxidation zu Cannabidiol (CBD). Man muss immer einen Kompromiss finden, bei dem ausreichend lang, aber nicht zu lang angemessen hohe Temperaturen bestehen. Wenn Cannabiskraut ungeschützt erhitzt wird, beginnen die Cannabinoide zudem ab einer Temperatur von etwa 140 Grad Celsius zu verdampfen. Auch THCA weist einige pharmakologische Wirkungen auf, darunter entzündungshemmende Eigenschaften. Diese Wirkungen sind bisher wenig erforscht. Die Wirkungen von Cannabis-Saft aus frischen Blättern, wie er vor allem in Kalifornien zunehmend beliebt ist, basieren vermutlich auf einer Kombination aus THC, THCA und Terpenen (ätherischen Ölen).

Am Chemischen Landes- und Staatlichen Veterinäruntersuchungsamtes in Münster wurden experimentelle Untersuchungen zur Bestimmung der optimalen Decarboxylierungs-Bedingungen vorgenommen. Es wurden verschiedene Lösungsmittel, unterschiedliche Temperaturen und verschiedene Zeiten der Erhitzung untersucht. Das Problem wurde jedoch bisher nicht befriedigend gelöst, da bei einer Erhitzung über einer Temperatur von 75 Grad Celsius parallel zur Umwandlung von THC-Säuren nach THC auch THC abgebaut wird. Bei einer Decarboxylierung mit Temperaturen unter 75 Grad Celsius werden viele Stunden benötigt, was nicht genau untersucht wurde.

Professor Brenneisen aus der Schweiz hat als optimale Decarboxylierungsbedingungen eine fünfminütige Erhitzung bei 200 bis 210 Grad ermittelt. Dabei werde kaum THC oxidiert. Als Regel gilt: Bei niedrigen Temperaturen wird eine längere Zeit benötigt, bei höheren Temperaturen, wie sie etwa in der Glut eines Joints entstehen, reichen wenige Sekunden. An der Universität Leiden wurde die Zusammensetzung von Cannabis-Tee, der mit einem Gramm Cannabis mit einem THC-Gehalt von 19,6 Prozent auf 1 l Wasser mit 15-minütigen Kochen hergestellt wurde. Es ließen sich in diesem Liter nur 10 mg THC und 43 mg THCA nachweisen. Bei 100 Grad Celsius wird also nur ein kleiner Teil der THC-Säure in THC umgewandelt. Von den 196 mg THC in dem einem Gramm Cannabis ergab sich nur eine Ausbeute von 10 mg. In diesem Fall könnte auch THCA zur Gesamtwirkung beigetragen haben, beispielsweise durch die entzündungshemmenden Eigenschaften.

Bei Hanfpflanzen, die in Mitteleuropa angebaut wurden, liegt mehr als 95 Prozent des THC als THC-Säure vor. Auch CBD liegt überwiegend als CBD-Säure (CBDA) vor und benötigt eine Erhitzung. Bei Hanfpflanzen aus südlichen und wärmeren Breiten, wie etwa Marokko und Indien, vielleicht auch aus dem warmen Kalifornien, kann allerdings bereits mehr als 30 Prozent des THC in der wirksamen phenolischen Form vorliegen. Daher sind in Indien kalte Getränke mit Hanfblättern (Bhang) durchaus wirksam.
Im Haschisch, dem Cannabisharz, kann der Anteil am phenolischen THC noch deutlich höher liegen. In verschiedenen Untersuchungen lag sein Anteil am Gesamt-THC bei etwa 15 bis 65 Prozent, was auch von der Art der Haschisch-Produktion abhängt. Das Essen von Haschisch kann daher ebenfalls starke Wirkungen hervorrufen, aber im Allgemeinen wird die Wirkstärke aller Cannabisprodukte durch Erhitzen erheblich gesteigert.
Wenn das ungeschützte Kraut zur Decarboxylierung im Backofen erhitzt wird, sollte die Temperatur nicht über 130 Grad liegen, damit die Cannabinoide nicht verdampfen. Es lässt sich leider bisher keine optimale Zeit für eine solche Erhitzung angeben. 20 bis 30 Minuten sollten jedoch nach meiner Auffassung nicht überschritten werden. Allerdings soll auch eine Erhitzung bei hohen Temperaturen für nur wenige Sekunden ein zu starkes Verdampfen bei guter Decarboxylierung ermöglichen. Genau Daten sind mehr dazu aber nicht bekannt.
Um die Cannabinoide vor dem Verdampfen zu schützen, kann das Kraut zerbröselt und in zerlassenem Fett aufgelöst werden. Das THC hält sich dann eher im Fett auf, als nach außen zu entweichen. Beispielsweise kann man etwas Fett in der Pfanne erhitzen und dann Cannabis (Marihuana oder Haschisch) hinzugeben. Man sollte Fette mit einem hohen Siedepunkt verwenden, wie Palmin oder Biskin, die einen Siedepunkt von 260 bis 290 Grad aufweisen. Butter siedet bereits bei 150 Grad. Als Anhalt kann eine Temperatur gelten, bei der üblicherweise Pommes Frites frittiert werden (175 bis 190 Grad Celsius). Man hat damit fast die von Professor Brenneisen ermittelten optimalen Bedingungen verwendet. Dieses Cannabis-Öl kann man dann beispielsweise in einen Fruchtjoghurt rühren oder in Kakaomilch geben. Auch beim Herstellen von Gebäck im Backofen werden recht optimale Temperaturen mit einer angemessenen Zeitdauer erzielt.

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