Mittwoch, 30. Mai 2012

Vom Kiffer zum Psychonauten

Jörg, 46 Jahre alt, leidenschaftlicher Liebhaber von Psychedelika

Jörg (Name von der Redaktion geändert) kommt aus Deutschland, woher genau, wollen wir nicht verraten. Denn Jörg tut etwas Verbotenes. Und zwar mit Hingabe und Leidenschaft. Denn Jörg ist Psychonaut. Einer, der die psychedelischen Substanzen liebt. LSD-25, Psilocybin, Meskalin. Dimethyltryptamin, MDMA, 2C-B. Jörg ist keiner, der feiert. Jörg ist jemand, der Drogen nimmt, um – wie er sagt – „ein besserer Mensch zu sein.“ Dabei ist das, was Jörg eine Methode, ein besserer Mensch zu werden, nennt, aus Sicht der Regierung nichts weiter als eine Reihe von Straftaten. Und deshalb muss Jörg aufpassen. Denn er ist Lehrer an einem Gymnasium. Ein angesehener Beamter, der auch im Beruf Karriere gemacht hat. Wir haben mit Jörg über sein ungewöhnliches Leben gesprochen.

Hanf Journal: Wie kamst du zu den psychedelisch wirkenden Substanzen?
Jörg: Wie fast bei jedem, führte auch mein Weg über das Cannabis und das aus der Hanferfahrung gewonnene Interesse an den psychoaktiven Substanzen. Es waren schon damals, vor etwa zehn Jahren, die eher psychedelischen Cannabissorten, die mich faszinierten. Haze-, also sativalastige Strains, die nicht so sehr in die Kissen drücken, sondern eher der Großhirnrinde die Möglichkeit eröffnen, die Welt mit anderen Augen zu sehen.

Hanf Journal: Und über diese Pflanzen kamst du zu den stärkeren Psychedelika?
Jörg: Ja, klar. Da war der Weg nicht weit. Ich denke, eine Grassorte wie die Amnesia Haze ist eine perfekte Grundlage für einen köstlichen LSD-Trip und andere psychedelische Erfahrungen. Nur um ein Beispiel zu nennen. Es gibt unzählige andere gute Grassorten, die ein Psychonaut hervorragend verwenden kann. Die ultrapotenten Indicasorten sind mir einfach zu derb in der Wirkung. Wenn ich kurz vorm Einpennen bin, ist der Abend gelaufen. Ist doch schade drum – es sei denn, man hat eben das Ziel, sich zu entspannen und downen zu lassen.

Hanf Journal: Nun finden wir interessant, dass du einen für Psychonauten eher unkonventionellen Beruf gewählt hast.
Jörg: Das liegt daran, dass ich erst vor etwa zehn Jahren überhaupt angefangen habe, psychoaktive Substanzen zu konsumieren. Hätte ich das vor 25 Jahren begonnen, glaube ich nicht, dass ich Lehrer geworden wäre. Von daher war die Entwicklung perfekt. Denn als Lehrer kann ich die psychedelische Erfahrung direkt ins Leben integrieren und umsetzen – nämlich im Umgang mit Schülern, Kollegen und Eltern. Ich gebe meine Erfahrungen aus dem Kosmos meiner Seele weiter an meine Mitmenschen. Das ist eine tolle Sache. Und eine gute Übung, ein soziales Wesen zu bleiben. Ist ja in der heutigen Zeit auch nicht mehr selbstverständlich.

Hanf Journal: Wie sieht das aus, wie können wir uns das vorstellen, dass du dir die psychedelische Erfahrung in deinem Beruf zunutze machst?
Jörg: Ich mach natürlich keine Werbung für Drogen (lacht). Zum einen versuche ich, alle gleich zu behandeln und meinen Schülern das Gespür dafür zu vermitteln, dass sie soziale Wesen sind. Das rührt aus meinem psychedelischen Verständnis, aus meiner persönlichen Erfahrung, dass wir Lebewesen alle einem Urgeist entspringen und daher vermutlich und aller Wahrscheinlichkeit nach alle Teil eines riesengroßen Myzelsgeflechts sind, wenn man sich das so vorstellen mag. Ein komplexes Thema, das hier nur sehr vereinfacht angerissen werden kann. Nicht zuletzt engagiere ich mich für die Aufklärung in Sachen Substanzen, Drogen, Sucht. Ich versuche, meine Schüler zu mündigen Bürgern zu erziehen. Soweit das in meiner Macht steht. Sie sollten meiner Ansicht von der Schule dazu erzogen werden, keine Marionetten des Systems zu werden, auf der anderen Seite aber dennoch lernen, dass man sich als soziales Wesen eben gewissen Regeln zu unterwerfen hat. Beides kann in einem gesunden Maße gelebt und miteinander in Einklang gebracht werden. Leider ist Schule in diesem Staat aber ein wenig anders strukturiert.

Hanf Journal: Wie denn?
Jörg: Die Schule ist ein Spiegel des derzeitigen Systems, eine Art Mikrokosmos des makrokosmischen Grauens unserer immer kaputter daherkommenden Gesellschaft. Soweit kann man gehen, denke ich. Alles was ein so insuffizientes und vorzüglich menschenverachtendes System wie das unsere – oder gar andere, viel schlimmere! – ausmacht, wirst du im Kleinen in der Schule wiederfinden. Insbesondere der Leistungsdruck, die immer schneller werdende Maschinerie, wo weder Lehrer noch Schüler mehr richtig mitkommen können, die Homogenisierung der jungen Menschen, die alle in das Muster eines einzigen Förmchens zu passen haben und funktionieren müssen, weil sie andernfalls ausgesondert werden. Furchtbar.

Hanf Journal: Und das kannst du verändern? Revolutionieren?
Jörg: Im Kleinen ja. Im Großen nein. Aber im Kleinen, da fängt das Leben an. Ich kann also meinen Schützlingen die meines Erachtens bestmögliche Vorbereitung mitgeben: Sie lernen bei mir, was es heißt, ein soziales und mündiges Wesen zu sein, das Verantwortung übernehmen kann – für sich selber und für andere.

Hanf Journal: Platt gefragt: Hat das auch etwas mit Drogen zu tun?
Jörg: Muss es nicht, kann es aber durchaus. Sofern wir von einem vernünftigen Gebrauch von Drogen sprechen. Klar. Ich erlebe Oberstufenschüler, die maßvoll kiffen, in aller Regel als äußerst soziale Menschen. Bei vielen kann man eine Bewusstseinstransformation richtiggehend erkennen und mit etwas Erfahrung sogar Schlüsse daraus ziehen. Einer meiner Schüler veränderte sich innerhalb zweier Wochen so sehr zum Positiven, öffnete sich, ging höflich und korrekt mit seinen Klassenkameraden um, sogar sein Musikgeschmack veränderte sich. Mir war schnell klar: Der nimmt seit neuestem was. Bei einem lockeren Gespräch offenbarte der 16-Jährige mir dann, dass er tatsächlich seit drei Wochen ab und zu kiffe und sich seitdem innerlich wie ausgewechselt fühle, ja sogar plötzlich einen Sinn im Leben erkenne. Das sind die Augenblicke, in denen ich auch mich selber erkenne und mich freue.

Hanf Journal: Wissen deine Kollegen und Arbeitgeber von deinen Neigungen?
Jörg: Natürlich nicht. Das soll auch so bleiben, immerhin bin ich seit diesem Jahr stellvertretender Direktor unseres Gymnasiums.

Hanf Journal: Ein Psychonaut als Rektor. Das ist ja mal ne Sensation.
Jörg: Weiß ich nicht. Ob ich wohl der einzige bin? Letztlich ist es wahrscheinlich egal, ob man mit Rotwein oder LSD den Abend verbringt, solange man seine Grenzen kennt. Es soll ja auch Menschen geben, die gar keine solchen Substanzen einnehmen und trotzdem glücklich sind (lacht). Im Kern geht es doch sowieso nur um eines: Wir sollten versuchen, gute Menschen zu sein und anderen nicht zu schaden. Wer seine Mitlebewesen so behandelt, wie er selber behandelt werden will, der kann im Grunde nichts mehr falsch machen. Ob man für diese Erkenntnis Drogen braucht, weiß ich nicht. Es ist aber auf der anderen Seite unumstößlicher Fakt, das Psychedelikabenutzer definitiv intensiver über das Leben und unsere Welt reflektieren als andere. Das geht schon bei den Kiffern los. Ich plädiere für einen vernünftigen und maßvollen Umgang mit psychoaktiven Substanzen und für die Bemühung um Menschlichkeit. Das ist alles. Ich glaube, dass das die psychonautische Wahrheit ist.

Hanf Journal: Ganz ehrlich, so einen Lehrer hätte ich mal haben müssen.
Jörg: Ich glaube einfach, dass das die psychonautische Wahrheit ist. Das ist zumindest die Lehre, die ich aus den wiederkehrenden Erfahrungen ziehe. Und ich bin der Meinung, dass diese Lehre nicht nur für mich gut ist, sondern auch für die Menschen, mit denen ich in Kontakt stehe.

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