Mittwoch, 28. November 2012

Growing Very Advanced

Undurchsichtiges Licht

Willkommen bei unserer neuen Artikel-Serie, in der wir versuchen, die mysteriösen, stillen Ecken des Teils der elektromagnetischen Strahlung zu erklären, die wir „Licht“ nennen. Die meisten Leute verstehen unter dem Begriff Licht das Gegenteil von Dunkelheit. Wenn Licht ist, sehen wir Menschen, Tiere, Gegenstände – kurzum wir sehen. Aber Licht ist ein viel komplizierteres Element, denn verschiedene Organismen nehmen das Licht unterschiedlich, je nach dessen Wellenlänge, wahr. Licht das wir Menschen als sehr intensiv wahrnehmen, können andere Organismen als neutrales Dämmerlicht bemerken.

Im Gegenteil dazu kann das Licht, das das menschliche Auge so gut wie nicht erkennt, andere Organismen sogar blenden. In freier Natur können wir uns immer auf die effektivste Lichtquelle verlassen, die ein breites Spektrum elektromagnetischer Strahlung abgibt und die alle Organismen zufriedenstellt – die Sonne. Allerdings sind die Pflanzenzüchter unter Kunstlicht auf Leuchtmittel, die Licht unterschiedlicher Wellenlängen ausstrahlen, angewiesen.

Nun kommen wir zu des Pudels Kern. In wie weit unterscheidet sich die menschliche und die pflanzliche Wahrnehmung von Licht? Welche Lichtquelle unter welchen Bedingungen versorgt die Pflanzen mit dem Licht, das deren Wuchs und Blüte am besten stimuliert? Ist die Lichtquelle das Einzige, was die Lichtmenge beeinflusst, die auf die Pflanzen fällt? Und wie wichtig ist die Entfernung der Pflanze von der Lichtquelle? Um alle diese Fragen zu beantworten, müssen wir zuerst das Geheimnis des Lichts als elektromagnetische Strahlung erforschen. Noch ist das Licht für uns geheimnisvoll – undurchsichtig. Nehmen wir es also mal unter die Lupe.

Das Licht, der Mensch und die Pflanzen

Die elektromagnetische Strahlung wird in unterschiedliche Wellenlängen aufgeteilt. Sie beginnt bei der Gamma Strahlung (die kürzeste Wellenlänge) und endet mit Radiowellen. In diesem breiten Spektrum befindet sich auch das sogenannte sichtbare Licht, mit anderen Worten das Licht, das uns interessiert, dessen Wellenlänge 400-750 nm beträgt. Sichtbares Licht ist genauso wichtig für die Menschen wie für die Pflanzen. Der Unterschied sind zwei Faktoren. Der erste davon ist die Tatsache, dass Menschen das Licht durch ihre Augen wahrnehmen, während es die Pflanzen am ganzen Körper absorbieren. Vereinfacht gesagt sieht der Mensch das Licht durch Augen, die Pflanze mit Hilfe von Rezeptoren in Blättern, Stielen und Blüten. Ein weiterer, in diesem Fall viel bedeutenderer Unterschied liegt darin begründet, dass Pflanzen auf das Licht verschiedener Wellenlängen empfindlicher reagieren.

Aber besser als tausend Worte ist ein klares Bild.


„Die sehen was, was du nicht siehst…“

Am Diagramm kann man einfach und verständlich sehen, dass das menschliche Auge auf das Licht der Wellenlängen am empfindlichsten reagiert, für das sich die Pflanzen am unempfänglichsten zeigen. Das Licht, das von Pflanzen am intensivsten wahrgenommen wird, nennt sich photosynthetisch aktive Strahlung (PAR) – das Licht, das Pflanzen zur Photosynthese, also zum Wuchs und der Blüteentwicklung nutzen. Diese Tatsache ist grundlegend für das Verständnis der effektiven Beleuchtung von Pflanzräumen. Die meisten Lichtquellen werden nämlich für ein menschliches Auge konstruiert und strahlen sehr wenig Licht mit PAR-Wellenlängen aus. Auf dasselbe Problem stoßen wir auch bei photometrischen Geräten. Diese werden so gebaut, dass sie das Licht ähnlich messen wie das menschliche Auge. Wenn man Licht anmacht und dessen Intensität mit einem üblichen Luxmeter misst, erhält man die Werte, die für das menschliche Auge relevant sind. Das ist eigentlich auch logisch, aber zum Zweck der Lichtmessung bei der Pflanzenzucht nicht allzu genau.

Angegebene Parameter der Lichtquellen

Weil der Anbau unter Kunstlicht kein neues Phänomen mehr ist, können wir uns heute Leuchtmittel kaufen, die die Bedürfnisse der Pflanzen weit besser abdecken als eine handelsübliche Glühbirne, die Ihr vielleicht gerade beim Lesen dieses Artikels verwendet. Die verbreitetsten Leuchtmittel sind zurzeit immer noch die HID-Entladungslampen. Für die Zucht werden oft auch CFL-Leuchtmittel oder neuerdings auch LEDs verwendet.
Der detaillierten Beschreibung der Lichtquellen werden wir uns in einem der kommenden Kapitel widmen. Jetzt konzentrieren wir uns darauf, wie man erkennt, ob die Lichtquelle das Licht ausstrahlt, das wir für die Zucht benötigen.

Beim Einkauf der Lichtquelle für die Zucht unter Kunstlicht begegnet Ihr am meisten den folgenden Daten:

Leistungsverbrauch: Beschreibt die Energiemenge, die von der Lichtquelle verbraucht wird in Watt.
Lichtstrom (Φ): Diese Angabe wird in Lumen (lm) angegeben. Lumen ist die Einheit des Lichtstroms. Je höher die Lichtstärke ist, desto größer ist die beleuchtete Fläche. Eine INE Glühbirne mit 90000 Lumen leuchtet weiter als eine Glühbirne mit 40000 Lumen.
Effektivität: Wie viel Lumen pro Watt hat das Leuchtmittel? Die Effektivität wird in Lumen pro Watt (lm/W, oder LPW) angegeben und ist ein wichtiger Indikator der „Helligkeit“ der Lichtquelle. Wenn zum Beispiel eine 400W MH-Entladungslampe 100 Lumen auf 1 Watt gibt wäre sie nicht so effektiv wie ein Leuchtmittel, das bei gleicher Leistung 125 Lumen erzielt.
Lichtspektrum: Beschreibt, welche Teile des Lichtspektrums von der Lichtquelle abgedeckt werden. Pflanzen nutzen nämlich im Wachstum einen anderen Teil des Lichtspektrums, als bei der Blütebildung. Aufgrund der Angabe bezüglich des Lichtspektrums stellt man fest, ob sich das Leuchtmittel für die Wuchs-, die Blüte-, oder für beide Phasen eignet. Eine Halogen-Entladungslampe, die überwiegend Licht mit der Wellenlänge von 400-500 nm produziert wäre optimal, um die Pflanzen in der Wachstumsphase zu beleuchten und so dicke Stängel und gesunde Blätter zu bekommen. Beim Übergang in die Blütephase würden die Blätter allerdings sehr dünn, weil für die Blüte Licht mit der Wellenlänge 560-750 nm benötigt wird.

Farbart (Chrominanz/ Farbtemperatur): Eine Art Hilfsbegriff zur Erklärung der Zusammensetzung des Lichts, das in Kelvin (K) angegeben wird. Er charakterisiert das Spektrum des weißen Lichts. Vereinfacht kann man sagen, dass die Lichtquelle umso mehr weiß/blaues Licht produziert, je höher die Farbtemperatur ist. Je niedriger die Farbtemperatur ist, desto besser eignet sich die Lichtquelle zur Blütephase.
Habt Ihr bemerkt, dass bei den üblichen Angaben etwas fehlt? Genau, der PAR-Wert ist nirgendwo angegeben, aber der interessiert uns am meisten.

Photosyntetisch aktive Strahlung (PAR): Die photosyntetisch aktive Strahlung (Englisch PAR – Photosynthetically Active Radiation) kann in verschiedenen Einheiten angegeben werden. Aus meiner Sicht ist es für Otto Normalgrower am nachvollziehbarsten, die Bestrahlungsstärke in Watt pro Quadratmeter (W/m² PAR) zu messen. Für die Berechnung von PAR in W/m² müssen wir wiederum den Strahlungswert von PAR in Watt (W PAR) und die Stärke des Lichtstroms in Lumen kennen.

Weil ich hier eine weitere Einheit erwähnen werde, erkläre ich vorab noch einen Begriff: Beleuchtungsstärke (E): Gibt das Verhältnis des herunterfallenden Strahlungsflusses auf die beleuchtete Fläche an. Die Maßeinheit ist Lux (lx). Die Beleuchtungsstärke von 1 lx wird dann gemessen, wenn 1 Lumen auf 1 m² fällt. Wenn man eine Entladungslampe mit der Lichtstärke von 10000 Lumen auf einer Fläche von 1 m² hat, sind das 10000 Lux Beleuchtungsstärke (E).

Als Beispiel zur PAR-Wert Ermittlung nehmen wir die Osram Plantastar, eine Hochdruck-Natrium Entladungslampe mit 250W Leistung und 33.200 Lumen, bei der der Strahlungsfluss 80 W beträgt*. Wenn wir den ganzen Strahlungsfluss auf 1 m² richten, würden wir eine Beleuchtungsstärke von 33.200 Lux (lx) bekommen. Um festzustellen, wie viel es in PAR W/m² ist, rechnen wir aus, wie viel Lux man für 1 PAR W/m² benötigt:
33.200 (lm) : 80 W (Strahlungsfluss PAR) = 415 Lux ≥ 1 PAR W/m2

Also erhalten wir pro 415 lx ein PAR/m². Da wir jetzt auf 1 m² eine fiktive Beleuchtungsstärke von 33.200 lx haben, teilen wir diese Zahl durch 415. Das Resultat sind 80 PAR W/m². Dieses Beispiel ist nur illustrativ und rechnet die Lichtabnahme in Abhängigkeit von der Entfernung zur Lichtquelle oder die Lichtreflektion von Reflektoren sowie den Wänden und ähnliche Details, nicht mit ein.
Ich hoffe, dass Ihr Euch jetzt vorstellen könnt, auf welche Art sich die Bestrahlungsstärke in PAR W/m² ausrechnen lässt, wenn man die ausführlichen Parameter der Lichtquelle kennt. Die Angabe über den Strahlungsfluss PAR werdet Ihr für die meisten Leuchtmittel nicht auf der Packung finden, aber Ihr erfahrt in den weiteren Folgen unserer Serie, wie der PAR-Wert mithilfe eines speziellen Gerätes gemessen werden kann.

Im nächsten Hanf Journal könnt Ihr lesen:
Wie viel PAR W/m² verschiedene Arten von Pflanzen benötigen.
Welchen Einfluss Reflektoren, die Größe des Growrooms und die Reflektion der Wände auf die Lichtverteilung auf die Pflanzen haben.
Welchen Einfluss auf die Beleuchtungsstärke die Entfernung der Lichtquelle von der bestrahlten Fläche hat.
Wie man feststellt, welches Leuchtmittel sich für welche Voraussetzungen und Ansprüche des Züchters und des Zuchtraums am besten eignet.
Die Nutzung verschiedener Leuchtmittel in den gängigsten Growraum-Typen.
Ich glaube, dass die Leser/innen des Hanf Journals genauso viel Interesse wie alle Grower auf der ganzen Welt haben, mehr über das bislang fast unbeleuchtete Thema zu erfahren und dass Sie sich mit uns auf den Weg machen, Aufklärungsarbeit zu leisten. Von allen Faktoren, die einen erfolgreichen Grow unter Kunstlicht ausmachen, ist es gerade das Licht, das sich am schwersten messen lässt. Hebt Euch diesen Artikel gut auf und freut Euch auf die nächste Ausgabe, in der die ganze Sache ein wenig durchsichtiger wird…

Mr. José – Autor des umfassendsten und übersichtlichsten Buches über den Anbau unter Kunstlicht gibt es derzeit (leider) nur auf Tschechisch und auf Polnisch. Mehr dazu findet ihr unter www.pestovat.cz. Wir danken unseren Kolleginnen und Kollegen des Magazins legalizace.cz für diesen Artikel sowie die freundliche Unterstützung, die unsere Redaktion im Rahmen der Cannafest-Messe erfahren hat.

*Anmerkung:
80 W Strahlungsfluss heisst, dass 80 Watt der verbrauchten Energie in Licht umgewandelt werden. Der Autor Mr.Jose hat sich einer Tabelle bedient, die den Strahlungsfluss für die drei Planta Star Modelle beschreibt: Eine Plantastar 250 W hat 33 200 lm, von denen, vereinfacht dargestellt, 80 W in Licht umgewandelt werden.
Eine Plantastar 400 W hat 56 500 lm, von denen, vereinfacht dargestellt, 136 W in Licht umgewandelt werden.
Eine Plantastar 400 W hat 90 000 lm, von denen, vereinfacht dargestellt, 216W in Licht umgewandelt werden.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen