Freitag, 29. Mai 2009

PARTEIEN zur Wahl Im Hanf Journal

Die Bundestagswahl 2009 naht. Drogen- oder hanfpolitisch wird auf Repression gesetzt, die Zahl der Drogenkonsumenten und -Toten steigt. Eine ohnehin nicht bundesweit angepasste Geringe Menge ist nur noch auf dem Papier vorhanden, Konsumenten werden trotz dieser Regelung zu drastischen Geldbussen oder gar Fahrverboten verurteilt. In den USA hingegen steht das Thema „Marihuana Taxation“ (Gras-Steuer) mittlerweile auf der politischen Tagesordnung und ist auch in den Massenmedien ein aktuelles Dauerthema.
Die Legalisierungsbewegung in den USA hat die klischeebehaftete Kifferecke verlassen und sich zum Teil der zivilen Bewegung entwickelt, die das Ende der Prohibition und des „War on Cannabis“ als Teil der dringend notwendigen gesellschaftlichen Erneuerung ansieht. Auch die Deutschen haben im Herbst die Chance, die Politik ein wenig zu beeinflussen. Das Hanf Journal möchte in diesem Zusammenhang den Lesern/Innen die Möglichkeit geben zu erfahren, was die im Bundestag vertreten Parteien unter einer sinnvollen Drogenpolitik verstehen. Dazu erhält je ein Vertreter jeder Partei die Möglichkeit, den jeweiligen Standpunkt im Hanf Journal darzustellen. In dieser Ausgabe stellt der drogenpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis90/Die Grünen,
Dr. Harald Terpe, die Position seiner Partei dar:

Für eine Wende in der Drogenpolitik

Das Cannabisverbot ist gescheitert. Cannabis ist längst eine Alltagsdroge wie Alkohol oder Tabak. Dennoch wird noch immer an der Kriminalisierung von Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten festgehalten. Obwohl das Cannabisverbot praktisch keine Wirkung hat, folgenlos ist es deswegen noch lange nicht. Die Konsumentinnen und Konsumenten werden in den Schwarzmarkt gedrängt. Sie müssen dort damit rechnen, in der Qualität stark schwankende oder mit Blei, Glas bzw. anderen Stoffen verunreinigte Produkte zu erhalten. Andere Konsumentinnen und Konsumenten verlieren ihren Führerschein oder müssen ihre Fahrtauglichkeit nachweisen, weil sie regelmäßig oder gelegentlich konsumieren. Dies geschieht auch dann, wenn sie noch nie unter Einfluss von Cannabis ein Fahrzeug geführt haben.
Wie eine 2006 veröffentlichte Untersuchung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht ergab, müssen insbesondere regelmäßige Konsumentinnen und Konsumenten in vielen Bundesländern Anklagen oder Strafbefehle in Kauf nehmen. Das Cannabisverbot macht auch vor schwer kranken Patientinnen und Patienten nicht halt. Die Politik verweigert ihnen mit Cannabis ein Medikament, das bei der Linderung beispielsweise von Spastiken, Schmerzen oder Appetitlosigkeit helfen kann.

Dies ist nur ein Teil der Bilanz des Verbots von Cannabis in Deutschland. Der so genannte „War on Drugs“ hat jedoch auch weltweit schlimme Folgen für viele Menschen.
Doch die herrschende Drogenpolitik behindert bislang eine unvoreingenommene Nutzen-Bewertung der gesamten Prohibition. Mythen, Märchen und moralische Vorurteile dominieren die Drogenpolitik.
Die grüne Fraktion hat in dieser Wahlperiode an vielen Stellen mit Anträgen und Kleinen Anfragen versucht, die drogenpolitischen Blockaden aufzubrechen und sich für eine Gleichbehandlung aller Drogen stark gemacht.
Mit Abgeordneten der SPD, der LINKEN und der FDP haben wir für die medizinisch kontrollierte Abgabe von Heroin (Diamorphin) an schwer opiatabhängige Menschen gestritten. Auf Initiative der SPD wurde zuletzt ein gemeinsamer Gesetzentwurf eingebracht, über den der Deutsche Bundestag am 28. Mai abstimmt. Es ist zu hoffen, dass dieser Antrag eine Mehrheit findet.

Ein weiteres wichtiges Anliegen war es mir und meiner Fraktion, die medizinische Verwendung von Cannabis zu erleichtern. Als erste Fraktion haben wir einen Antrag vorgelegt, der insbesondere die Freigabe des Anbaus und des Besitzes von Cannabis zu therapeutischen Zwecken vorsieht. Die Anhörung des Gesundheitsausschusses zu unserem und einem nahezu wortgleichen späteren Antrag der LINKEN belegt die Notwendigkeit eines erleichterten Zugangs zu Cannabismedikamenten. Dennoch haben die CDU/CSU, die SPD und die FDP beide Anträge abgelehnt. Inzwischen zeichnet sich ab, dass die von uns und vor allem von den zahlreichen Betroffenen angestoßene Diskussion nicht umsonst war. In der zuständigen Bundesopiumstelle hat sich mittlerweile eine liberalere Praxis bei der Genehmigung von Anträgen zur medizinischen Verwendung von Cannabis durchgesetzt. Etliche Patientinnen und Patienten dürfen von ihrer Apotheke einen Cannabisextrakt, andere sogar das Cannabiskraut beziehen.

Auch das Cannabisverbot hat meine Fraktion bislang als einzige in dieser Wahlperiode zum Thema eines Antrags im Deutschen Bundestag gemacht. Darin fordern wir insbesondere eine Entkriminalisierung des Anbaus, Erwerbs und Besitzes von Cannabis für den Eigenbedarf. Zudem wollen wir ein regional begrenztes Modellprojekt zur lizenzierten Abgabe von Cannabis auflegen. Im Mittelpunkt unseres Antrags steht jedoch die Prävention. Wir wollen erreichen, dass riskante und gesundheitlich unbedenkliche Konsumformen nicht länger in einen Topf geworfen werden. Statt die Konsumentinnen und Konsumenten zu kriminalisieren, wollen wir sie zu einem verantwortlichen Gebrauch befähigen.

In der nächsten Wahlperiode wollen wir die Arbeit für eine Wende in der Drogenpolitik fortsetzen. Dazu zählt ganz grundsätzlich eine Nutzen-Bewertung der nationalen und internationalen Drogenpolitik. Fernziel ist bezogen auf weiche Drogen wie Cannabis eine legale Abgabe beispielsweise in lizenzierten Fachgeschäften. Auf der Tagesordnung steht weiterhin die Führerscheinproblematik. Vor dem Hintergrund des teilweise immer noch erheblichen Preises für medizinische Cannabisprodukte sind weitere Erleichterungen für die Patientinnen und Patienten bis hin zur geregelten Kostenübernahme durch die Krankenkassen notwendig. Auch der Eigenanbau muss eine mögliche Option werden. Um gesundheitliche Risiken bei Konsumentinnen und Konsumenten zu vermeiden, wollen wir das Verbot der Substanzanalyse (Drug-Checking) und Drogenhilfe aufheben.

Grüne Drogenpolitik will Drogen nicht verharmlosen. Wir enthalten uns aber moralischer Urteile über „guten“ oder „schlechten“ Konsum. Wir wollen niemanden bevormunden sondern das Selbstbestimmungsrecht der Konsumentinnen und Konsumenten schützen.

Dr. Harald Terpe ist drogenpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

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