Mittwoch, 2. Dezember 2009

Feuer auf Mechthild Dyckmans

Mechthild Dyckmans,
neue Drogenbeauftragte ohne eigene Meinung?

Am 28. Mai 2009 stimmte der Deutsche Bundestag über das Gesetz zur ärztlichen Verschreibung von Diamorphin (Heroin) ab. Alle Bundestagsfraktionen mit Ausnahme der Union (CDU/CSU) haben für diesen Gesetzentwurf gestimmt, der von den Abgeordneten Carola Reimann (SPD), Detlef Parr (FDP) und Frank Spieth (Linke) in den Bundestag eingebracht worden war. Von den bei der Abstimmung anwesenden Parlamentariern der FDP haben mit zwei Ausnahmen alle für die Annahme des Gesetzentwurfes gestimmt, nur Hans-Joachim Otto und Mechthild Dyckmans enthielten sich der Stimme. Ist Mechthild Dyckmans eine neue Drogenbeauftragte ohne eigene Meinung?

Die Regierungskoalition sei in der Drogenpolitik uneins: die Unionsfraktion setzte auf abstinenzorientierte Therapie, die FDP dränge darauf, neue Wege zu erproben, zu denen die kontrollierte Abgabe von Heroin und die Einrichtung von Fixerstuben gehören. Dies vermeldete die Berliner Zeitung vor mehr als 12 Jahren am 28. Juli 1997. Heute, zwölf Jahre später, zeigt sich die gleiche Uneinigkeit in der CDU/CSU einerseits und der FDP andererseits, was deutlich am Abstimmungsergebnis zum „Gesetz zur diamorphingestützten Substitutionsbehandlung“ ersichtlich wurde. Über 86% der Abgeordneten aus der Union stimmten gegen dieses Gesetz, 5,6% stimmten dem Gesetz zu, 0,5% enthielten sich der Stimme und 7,3% nahmen nicht an der Abstimmung teil. Von der FDP-Fraktion stimmte keiner gegen dieses Gesetz, 74% stimmten dem Gesetz zu, 3,3% (2 Stimmen) enthielten sich und 23% der FDP-Abgeordneten nahmen nicht an der Abstimmung teil. Mit einer mehrheit von 57% aller Abgeordneten wurde der Gesetzesinitiative zugestimmt.

Der Gesetzesinitiative vorausgegangen war ein Modellprojekt, das zwischen 2002 und 2006 in sieben Städten erprobt und anschliessend teilweise verlängert worden war. Die Ergebnisse einer in diesem Zusammenhang durchgeführten Studie sprächen dafür, nun deutschlandweit „eine Behandlung mit Diamorphin für eine klar begrenzte Zielgruppe zu ermöglichen“, heisst es in dem Gesetz, das von den Abgeordneten Carola Reimann (SPD), Detlef Parr (FDP) und Frank Spieth (Linke) in den Bundestag eingebracht worden war. Durch das „Gesetz zur diamorphingestützten Substitutionsbehandlung“, so der offizielle Name, sollen „die negativen Folgen der Drogenabhängigkeit für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abgemildert“ werden.

Bereits vor mehr als einem Jahrzehnt, als Helmut Kohl (CDU) noch Bundeskanzler war, hätte es mit Sicherheit eine Mehrheit für ein solches Gesetzesvorhaben im Bundestag (Grosse Kammer, Volkskammer) gegeben, da 1997/1998 die Union mit ihrem harten Drogenkurs dort absolut isoliert war. So plädierten im Jahre 1997 sowohl die Oppositionsparteien SPD, PDS und die Grünen als auch der Koalitionspartner FDP für eine Heroinabgabe nach schweizer Muster, nur die CDU/CSU beharrte auf ein striktes Nein zur medizinisch kontrollierten Heroinabgabe wie auch zur Einrichtung sogenannter Fixerstuben. Die damalige drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion und heutige Justizministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, tat 1997 mehrfach kund, dass man in der Drogenpolitik über „andere Mehrheiten“ nachdenken müsse und das eine Änderung der Drogenpolitik notfalls auch gegen den Widerstand der Union verwirklicht werden sollte. Auch der damalige Parteichef der FDP, Wolfgang Gerhardt, unterstützte das Vorhaben einer ärztlich kontrollierten Heroinabgabe und wurde dabei vom damaligen Generalsekretär der FDP, Guido Westerwelle, wie auch vom damaligen Vizepräsidenten des Bundestages, Burkhard Hirsch (FDP), sowie zahlreichen Abgeordneten der Partei unterstützt.

Im März 1992 stellte die Freie und Hansestadt Hamburg im Bundesrat einen Antrag zur Änderung des Betäubungsmittelrechts, um Modellversuche zur Erprobung der kontrollierten Heroinverschreibung zu ermöglichen. Im Juni 1993 und im November 1994 beschloss der Bundesrat (Länderkammer), das BTMG so zu ändern, dass Bundesländer Modellversuche zur heroingestützten Behandlung durchführen können. Doch bis zum Ende der Ära Kohl 1998 konnte keine parlamentarische Mehrheit im Bundestag für die Gesetzesinitiative des Bundesrates gefunden werden. Die Abstimmungen über diese Gesetzesinitiative des damals SPD-dominierten Bundesrates wurden immer wieder von der CDU/CSU-Fraktion verhindert und die Entwürfe schmorten jahrelang in den Gremien. Politiker des damaligen Koalitionspartners FDP machten sich seinerzeit zwar medienwirksam für eine Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes stark und bekundeten immer wieder, dass wenn sich in der Union die Hardliner durchsetzen sollten, dann müsse überlegt werden, ob es nicht vielleicht auch andere Mehrheiten im Bundestag gebe. Letztendlich war jedoch für die FDP der Koalitionsfriede mit der CDU/CSU wichtiger als die Gesundheit und das Leben der Fixer. Wohl auch deshalb konnte die Gesetzesinitiative im Bundestag nicht abgesegnet werden, obwohl es dafür dort eine Mehrheit gegeben hätte.

Vor diesem historischen Hintergrund erscheint die Stimmenthaltung der Abgeordneten Mechthild Dyckmans (FDP), die inzwischen zur Drogenbeauftragten ernannt wurde, am 28. Mai 2009 im deutschen Bundestag äusserst merkwürdig. So mancher fragt sich, ob Mechthild Dyckmans in der FDP eine Aussenseiterin ist und vielleicht eine andere drogenpolitische Position als die grosse Mehrheit in ihrer Partei vertritt. Manch anderer fragt sich, ob Mechthild Dyckmans schon im Mai Ambitionen auf das Amt der Drogenbeauftragten hegte und nur aus Opportunismus kein Votum für das Gesetz zur diamorphingestützten Substitutionsbehandlung abgab, um sich das Wohlwollen der Mehrheit in der CDU/CSU-Fraktion zu sichern und somit ihrer Karriere keinen Stein in den Weg legen wollte. Jedenfalls hat Mechthild Dyckmans bei ihrem Amstantritt keine Erklärung hierzu abgegeben und die interessierte Öffentlichkeit nicht über die Motive ihres Handelns aufgeklärt. Die Skepsis und die Zweifel bleiben, wahrlich eine schlechte Ausgangsposition, um die Drogen- und Suchtpolitik der Bundesregierung zu koordinieren und in der Öffentlichkeit zu vertreten.

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