Freitag, 4. Juni 2010

Was haben schwarzer Pfeffer und Cannabis gemeinsam?

Franjo Grotenhermen ist Vorstand und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin

Vor zwei Jahren stellten Forscher fest, dass ein Bestandteil vieler Gewürze an den Cannabinoid-2-Rezeptor (CB2-Rezeptor) bindet. Dieser Bestandteil ist das Beta-Caryophyllen, ein Bestandteil ätherischer Öle. Lange Zeit war man davon ausgegangen, dass nur die Cannabinoide der Cannabispflanze an Cannabinoidrezeptoren binden. Dann stellte sich heraus, dass auch bestimmte Bestandteile von Echinacin, so genannte Alkylamide, ihre immunmodulatorischen Wirkungen zum Teil durch die Aktivierung von CB2-Rezeptoren vermitteln. Forscher des Schweizer Bundesinstituts für Technologie in Zürich zeigten, dass verschiedene Alkylamide von Echinacin stärker an den CB2-Rezeptor binden als Endocannabinoide.
Ätherische pflanzliche Öle bestehen typischerweise aus leicht flüchtigen aromatischen Terpenen und ähnlichen Substanzen. Beta-Caryophyllen ist ein solches Terpen. Diese fettlöslichen Substanzen wandern leicht durch Zellmembranen und haben eine Anzahl ökologischer Aufgaben, darunter solche bei der Wechselwirkung zwischen Pflanzen und Insekten. Beta-Caryophyllen ist eine wichtige flüchtige Substanz, die in großen Mengen in ätherischen Ölen vieler verschiedener Gewürze und pflanzlicher Nahrungsmittel vorkommt, darunter Oregano, Zimt und schwarzer Pfeffer. Wegen seines schwachen aromatischen Geschmacks wird es kommerziell als Nahrungsmittelzusatz und in Kosmetika verwendet. Beta-Caryophyllen ist auch ein wichtiger Bestandteil (bis zu 35 Prozent) des ätherischen Öls der Cannabispflanze. Bisher war nur bekannt, dass einige Cannabinoide an Cannabinoidrezeptoren binden. Nun zeigt sich, dass auch ein anderer Bestandteil von Cannabis an den CB2-Rezeptor bindet. Der CB1-Rezeptor findet sich vor allem auf Nervenzellen des Zentralnervensystems (Gehirn, Rückenmark), jedoch auch auf vielen anderen Zelltypen in der Peripherie, zum Beispiel auf Zellen von Darm, Leber, Herz, Lunge, Harnblase, Sexualorganen und Haut. Der CB2-Rezeptor ist dagegen auf Zellen des Immunsystems weit verbreitet. Bei Mensch und Tier werden diese beiden Rezeptoren durch vom Körper selbst produzierte Cannabinoide, die so genannten Endocannabinoide, aktiviert. Während die Aktivierung des CB1-Rezeptors im Zentralnervensystem für die psychischen Wirkungen von Cannabisprodukten verantwortlich ist, löst die Aktivierung von CB2-Rezeptoren keine Effekte auf die Psyche aus. Die Aktivierung von CB2-Rezeptoren moduliert dagegen Immunreaktionen. Substanzen, die an CB2-Rezeptoren binden, hemmen Entzündungen und die Ausbildung von Ödemen und besitzen schmerzlindernde Eigenschaften. Im Magendarmtrakt schützen solche Wirkstoffe vor einer durch eine chemische Substanz bei Tieren ausgelösten Entzündungen des Dickdarms. Zudem gilt der CB2-Rezeptor als potenzieller Angriffspunkt für die Behandlung der Arteriosklerose und der Osteoporose. Die Arteriosklerose wird heute als chronische Entzündung der Blutgefäße betrachtet, und Fettstoffwechselstörungen (vor allem erhöhte Werte des „schlechten“ Cholesterins) werden nicht mehr als Hauptursache angesehen. Insgesamt werden daher Substanzen, die spezifisch den CB2-Rezeptor aktivieren, von großem Interesse für die Behandlung einer Anzahl von Krankheiten sein. Es wurde in früheren Studien gezeigt, dass die Aktivierung von CB2-Rezeptoren die Konzentration von Entzündungsbotenstoffen (Tumor-Nekrose-Faktor-Alpha, Interleukin-1-Beta, etc.) reduziert. Eine Forschergruppe aus der Schweiz, Italien und Deutschland wies nach, dass Beta-Caryophyllen auch solche Wirkungen ausübt. Die entzündungshemmende Wirkung von Beta-Caryophyllen trat bereits bei recht geringen Dosen auf. Bereits 1993 waren die unterschiedlichen entzündungshemmenden Effekte, darunter die Hemmung von Entzündungen des Magens bei Tieren, von Beta-Caryophyllen aufgefallen. Allerdings war damals der Mechanismus noch unbekannt. Beta-Caryophyllen ist die erste Substanz in der Cannabispflanze, die Cannabinoidrezeptoren aktiviert, jedoch eine grundsätzlich andere Struktur wie klassische Cannabinoide aufweist. Daher stellt es einen neuen Typ von Cannabinoiden dar, die selektiv an den CB2-Rezeptor binden. Da dieses Terpen ein wichtiger Bestandteil des ätherischen Öls von Cannabis ist, könnte es zu den Gesamtwirkungen von Cannabiszubereitungen beitragen. Zudem wird Beta-Caryophyllen mit pflanzlicher Nahrung aufgenommen mit einer täglichen Aufnahmemenge von 10 bis 200 Milligramm. Daher könnte diese Substanz ein Nahrungsbestandteil sein, der entzündliche und möglicherweise weitere physiologische Prozesse über das Endocannabinoidsystem beeinflusst.

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