Mittwoch, 1. Juni 2011

Mitnichten legal

Cannabis als Medizin:
Mogelpackung statt unkomplizierter Hilfe

Gebetsmühlenartige Wiederholungen falscher Behauptungen sind dafür bestimmt, Menschen über die wahren Hintergründe komplexer Vorgänge im Dunkeln zu lassen: Cannabis ist als Medizin nicht legal, auch wenn es innerhalb eines Jahres zum dritten(!) Mal über die Ticker der großen Nachrichtenagenturen und somit durch die Tagespresse geht. Oft wird diese Meldung dann mit einer Cannabis-Blüten Dose aus den Niederlanden verziert, so dass die mediale Täuschung perfekt ist. Selbst viele unserer Leser haben uns darauf hingewiesen, dass sich da doch etwas „getan“ habe. Das wäre zwar notwendig und im Sinne der Patienten, aber die Bundesregierung hat einen Schritt weg von legaler, natürlicher Cannabismedizin unternommen und versucht nun, das Mogelpaket als Legalisierung von Cannabis als Medizin zu verkaufen. Dabei wird übersehen, dass es sich lediglich um ein teures Fertig-Präparat handelt, an dem ausschließlich zwei multinationale Konzerne, Bayer und Allmiral, verdienen, und das mit Cannabis so viel wie Schmelzkäse mit Frischmilch gemein hat. Das Medikament, um das es geht, heißt Sativex und ist lediglich zur MS-Therapie zugelassen. Die meisten Cannabispatienten verfügen jedoch über eine andere Indikation und könnten Sativex gar nicht nutzen.
Die Hersteller von THC-haltigen Dronabinoltropfen, die seit 13 Jahren für eine Zulassung kämpfen und bereits tausenden Patienten geholfen haben, sind von der neuen Regelung gar nicht betroffen. Ihr bewährtes Produkt bleibt weiterhin ein Medikament zweiter Klasse (Rezeptursubstanz), da die Verschreibung umständlich ist und die Kosten oft nicht übernommen werden.
Natürliches Cannabiskraut soll auch in Zukunft, geht es nach den Plänen de Ministeriums von Daniel Bahr (ja genau der, der 2001 als „JuLi“ mit der „Lieber bekifft ficken als besoffen Auto fahren“ Kampagne für Furore gesorgt hatte), für Patienten nicht legal zu haben sein. Es sei denn, sie verfügen über eine in der Praxis schwer zu gelangende Ausnahmegenehmigung für den Import von überteuerten Hanfblüten aus den Niederlanden. Ein erster Schritt in Richtung Patienten wäre ein Signal für genau die Liberalität, mit der die Freien Demokraten in Zukunft so groß auftrumpfen möchten. Konkret könnte das Bundesgesundheitsministerium, genauer gesagt das ihm unterstellte BfarM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte), einfach den Einspruch gegen die Genehmigung eines Patienten zum Eigenanbau seiner Medizin zurücknehmen. Dem schwerkranken Mann wurde kürzlich vom Verwaltungsgericht in Köln zugesprochen, seine sonst unerschwingliche Medizin unter Sicherheitsauflagen selbst anzubauen. Anstatt den fast ein Jahrzehnt andauernden Rechtsstreit zu beenden und das Urteil anzuerkennen, geht das Ministerium jetzt in die nächste Instanz, während der Betroffene nicht über die Mittel verfügt, sein Rezept einzulösen. Ein Gramm importiertes, medizinisches Cannabis kostet ihn zur Zeit 16 Euro und ist oft nicht lieferbar.
Dieselbe Menge gleicher Qualität aus privatem Anbau kostet einen Bruchteil. Allerdings würden dann wahrscheinlich viele seiner Leidensgenossen den gleiche Weg gehen wollen, und davor hat man in Berlin anscheinend so viel Angst, dass immer wieder Exempel auf dem Rücken Einzelner statuiert werden. Dabei müsste man nur in die Niederlande schauen, um zu sehen, wie durch ein halbwegs gut organisiertes, staatliches medizinisches Cannabisprogramm der so oft befürchtete Missbrauch von vorneherein nicht möglich ist. Niederländische Patienten zahlen übrigens einen adäquaten Preis von fünf bis sieben Euro für ihr Medikament, an den unter viel Aufwand importierten Blüten verdienen noch Zwischenhändler, Kuriere und Apotheken in Deutschland, bis sich der niederländische Apothekenpreis verdreifacht hat. Der „neuen“ FDP gäbe eine Aussage zu einer wirklich liberalen Drogenpolitik, nach dem Regulierungswahn vergangener Jahre ein wenig verlorenen gegangene Glaubwürdigkeit wieder, denn das neue Führungstrio hatte in Jung-Liberalenen Zeiten nie ein Problem mit Cannabis, wieso also jetzt zögern?
Was hindert die Herren Bahr; Rösler und Lindner daran, Positionen, die sie vor noch gar nicht all zu langer Zeit unterstützt haben, zumindest ansatzweise in die Tat umzusetzen? Die CDU, glaubt man der Frosch-Therorie* des neuen FDP-Vorsitzenden, kann es nicht sein. Böse Zungen behaupten hingegen, dass einige Großsponsoren der Liberalen aus der Pharma-Branche einer wirklich liberalen Drogenpolitik im Wege stünden, die mit natürlichen und legalen Cannabisblüten als Medikament ihre Gewinne dahinschwinden sehen.
Denn der Zugang zu natürlichen Cannabiskraut für anerkannte Patienten wäre das Mindeste, wenn man die Forderungen der eigenen Jugend nach Regulierung und Besteuerung, der man gerade erst entwachsen ist, auch nur ansatzweise ernst nähme. Die Jungen Liberalen fordern in Sachen Hanf nunmehr 30 Jahren vergeblich ein Signal aus der Mutterpartei. Ein Schritt in Richtung Patienten bewiese auch die Ernsthaftigkeit des Erneuerungswillens innerhalb der Freien Demokraten und würde längst verloren geglaubte Wähler-Potentiale wecken, die man derzeit vergeblich sucht.

*Phillip Rösler verglich sich bezüglich der Kritik, er könne sich innerhalb der Koalition nicht durchsetzen, mit einem Frosch: Der hält erst still und beobachtet, um dann blitzartig zuzuschnappen.

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